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Ein jüdischer Frühling?

Grußbotschaft zu Rosch Haschana 5772

Von Rabbiner Dr. h.c. Henry Brandt

Zu dem Zeitpunkt, da das neue Jahr 5772 das Vorjahr ablöst, gilt es wieder Bilanz zu ziehen, wie für uns das nun vergangene Jahr gelaufen ist.
Im Großen und Ganzen gesehen – die hoffentlich guten persönlichen Erfahrungen ausklammernd – müssen wir wieder von enttäuschten Hoffnungen und Erwartungen sprechen. Denn viel Spaß macht der Rückblick auf das vergangene Jahr nicht. In vielen Teilen der Welt und in unterschiedlichsten Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft befindet sich die Welt in Aufruhr. Blutige Auseinandersetzungen, Massensterben durch Gewalt, Hunger und Durst, wirtschaftliches Chaos, soziale Unruhen und Unsicherheit kennzeichneten die zurückliegenden Monate.

Der Frieden in und um Israel ist anscheinend keinen Millimeter näher gerückt. Jedoch gerade aus Israel, dem Land unserer Ahnen und der Verheißung, erreichen uns kurz vor der Jahreswende Nachrichten, die uns aufhorchen lassen. Hundert Tausende von Menschen aus allen Schichten der Bevölkerung demonstrieren friedlich für soziale Gerechtigkeit und gesellschaftliche Solidarität. Die schweigende Mehrheit, von der man dachte, sie sei in apathischer Indifferenz gefangen, ist aufgewacht und fordert ihre Grundrechte ein. Ihre Forderungen und ihre bisherige Art, sie zu Gehör zu bringen, weisen auf eine Befreiung von der Belagerungsmentalität und einem verengten Blick auf Sicherheit und Auseinandersetzungen hin. Sie verlangt würdiges Menschenleben in adäquater Behausung, gute Ausbildung für Kinder und Jugendliche, Hoffnungen und Chancen für junge und aufstrebende Familien. Es geht um Solidarität, Gerechtigkeit, Frieden und Gemeinsamkeit.
Wie immer die Geschichte laufen mag, erinnern uns diese engagierten Männer und Frauen Israels an das Wesentlichste im jüdischen Verständnis des Lebens in unserer Gesellschaft. So wie es uns Torah und Propheten gelehrt haben. Ein jüdischer Frühling? Ein Beispiel, wie die moralische Kraft eines Volkes seine Politik und Lebensweise verändern kann ohne Waffen, Ausgrenzung oder Schauprozesse? Wird Israel wieder ein Vorbild für die Völker? Hoffen ist erlaubt.

Mögen die dunklen Schattendes vergangenen Jahres 5772 von uns weichen, so dass wir, wenn wir nächstes Jahr Rückschau halten, sagen können, es war ein gesegnetes, gutes Jahr.
So G‘tt Will!
Im Namen der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschlands wünsche ich allen Jüdischen Gemeinden in Deutschland und ihren Mitgliedern, dem ganzen Volk Israel „ba’ascher hu scham“ und, besonders, unseren Schwestern und Brüdern in Erez Israel:

Leschana Tova Tikatevu Wetechatemu

Landesrabbiner em. Dr. h.c. Henry G. Brandt


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