9. November
77 Jahre nach der Pogromnacht erinnert Augsburg an die Verfolgung der Juden. Rabbiner Brandt sieht unter den Flüchtlingen eine israelfeindliche Haltung.Vor einem neuen Antisemitismus in Deutschland hat der Ehrenpräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Johannes Gerster, in Augsburg gewarnt. Demonstrationen gegen die Politik Israels im vergangenen Jahr hätten eigentlich auf Juden in Deutschland abgezielt, sagte der frühere CDU-Politiker bei der Gedenkfeier zum 77. Jahrestag der Pogromnacht (von den Nationalsozialisten „Reichskristallnacht“ genannt). Damals brannten mehr als 1400 Synagogen und andere jüdische Versammlungsstätten im damaligen Deutschen Reich – darunter auch die Augsburger Synagoge. 400 Juden kamen in der Nacht ums Leben.
Kritik an Staatsanwälten
Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen Volksverhetzung verliefen im Sande, kritisierte der rheinland-pfälzische CDU-Politiker heutige antisemitische und ausländerfeindliche Bekundungen. Auch auf Strafanzeigen gegen den Pegida-Redner Akif Pirincci („die KZ sind ja leider außer Betrieb“) habe sie noch nicht reagiert. „Wann wachen der Gesetzgeber und die Staatsanwälte endlich auf?“, rief Gerster bei seinem Auftritt in der Augsburger Synagoge. Rabbiner Henry Brandt sagte, das Gedenken an das Geschehen von 1938 werde schwieriger, je mehr Jahre vergehen. „Wir werden künftig um das ‚Nie wieder‘ kämpfen müssen“, fügte er hinzu. In Bezug auf die Flüchtlingsproblematik war er allerdings der Meinung, Deutschland könne nicht das Leid der ganzen Welt beseitigen. Es komme zu „Ungerechtigkeit durch guten Willen“, denn „was wir den einen tun, entziehen wir den anderen“.
Brandt erinnerte an Flüchtlingslager in Ländern wie dem Jemen, Somalia, Libyen oder Nigeria. Dort hielten sich diejenigen auf, die zu arm und zu schwach seien, um nach Deutschland zu fliehen, und sie würden vergessen. Hierher kämen dagegen Tausende, die „den Hass gegen Israel mit der Muttermilch eingesogen haben“.
An der Gedenkstunde in der Synagoge nahmen auch Bürgermeisterin Eva Weber, der Münchner Generalkonsul Dan Shaham und viele Vertreter der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit teil. Es musizierten das Kammerorchester und die Chöre von Maria Stern.
Andeas Alt,
Augsburger Allgemeine, 11.11.2015
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