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Rosch Haschana 5785

Es geht um den Zusammenhalt

von Rabbinerin Elisa Klapheck, Vorsitzende der ARK

Nach dem vergangenen Jahr kann man nur auf ein besseres hoffen. Das Massaker der Hamas am 7. Oktober und der seitdem allerorten laut gewordene Antisemitismus, der Krieg Russlands gegen die Ukraine, ebenso die Angriffe auf die Demokratie zeigen eine Welt im Wandel zum Schlechteren. Auf allen Ebenen sind wir als Juden mit angegriffen. Wir sehen viel Zerstörung.

Was bedeutet Rosch Haschana nach einem solchen Jahr? 

Eigentlich beginnt die Vorbereitung auf die Hohen Feiertage mit dem Monat Elul und den Slichot, den täglichen Entschuldigungen gegenüber Gott. Für viele von uns begann sie diesmal jedoch schon mit dem Tischa be-Aw, dem Gedenken an die Zerstörung der beiden Tempel in Jerusalem. In meiner Gemeinde wurden zusätzlich zu Ejcha (Klagelieder des Jeremia) Klagelieder von israelischen Überlebenden des Hamas-Massakers gelesen. (Siehe unten “Rabbinische Kommentare”)  Auch sie beginnen mit dem Wort Ejcha. Mir selbst ist noch nie so bewusst geworden, dass Ejcha eine implizite Frage bedeutet – Ejcha? – „Wie?“ – Wie ist all die Zerstörung möglich geworden? Diese Frage bedeutet gerade keine passive Hinnahme von unwiederbringlich Zerstörtem, sondern ein tiefes Verstehen-wollen, um etwas dagegen setzen zu können.

Die Propheten im Tanach nennen auf die Frage immer wieder auch die Kräfte der inneren gesellschaftlichen Spaltung: Verachtung des Rechtssystems, Empathielosigkeit gegenüber sozial Schwachen, grundloser Hass. Ihre Kritik erweist sich dabei als erstaunlich aktuell.

Teschuwa, Umkehr, bedeutet genau diese Frage zu stellen: Wie ist das alles möglich? Was muss ich selber verstehen? Was kann ich tun, um den Zusammenhalt, das Miteinander und das Einstehen füreinander wieder zu stärken. Genau darauf bezieht sich die lange Liste des Al Chet („Wegen der Sünde, die wir begingen“), die wir an Jom Kippur selbstkritisch durchgehen.

Es wäre Verdrängung nicht auch die Krise im liberalen Judentum in Deutschland zu nennen. Die innere Spaltung, die über die Zukunft der Rabbinatsausbildung entstanden ist, lässt sich ebenfalls nur mit der Frage: Wie ist das möglich geworden?, überwinden. Eigentlich will niemand die Spaltung. Aber Zusammenhalt verlangt gegenseitiges Zuhören, aktives Überwinden von Gräben, Solidarität. Schon lange gab es nicht mehr soviel Notwendigkeit hierfür. 

In meiner Gemeinde haben wir an Tischa be-Aw auch über die erste Zeile im Psalm 137 gesprochen, jedoch mit einer etwas anderen Wendung: „An den Wassern Babylons saßen wir, auch weinten wir, als wir Zion gedachten.“ – Wir sprachen über das „auch“ (gam): Nicht nur die Menschen in Israel weinen – auch wir in der Diaspora, im großen Babylon weinen. Denn wir sind alle verbunden miteinander. 

In diese Richtung gehend wünsche ich uns allen ein Schana towa u-meworechet - ein Jahr mit vielen Veränderungen zum Guten!

 



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