Zum neuen Jahr 5776
Von Landesrabbiner em. Henry G. Brandt - Vorsitzender der ARKAlso, wie war nun eigentlich das vergangene Jahr? Haben sich zumindest einiger der Wünsche, die wir vor einem Jahr formulierten und in die wir viele unserer Hoffnungen und Träume einbrachten, erfüllt? Die Antworten darauf werden bei jedem Einzelnen unterschiedlich ausfallen, doch gemeinsam könnte hier bei allen jüdischen Menschen sein, dass sie die Beurteilung des Gewesenen unter drei Gesichtspunkten angehen. Aus der persönlichen, individuellen Sicht, als Teil ihres gesellschaftlichen Umfelds und – eine jüdische Besonderheit – was aus der Perspektive in und um Israel, Land und Leute geschah.
Hier in Deutschland gab es sich widersprechende Signale: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und die nie fehlende Begleiterscheinung, der Antisemitismus sind eher auf dem Vormarsch. Und gesellschaftliche Erscheinungen, die bisher verpönt waren, sind wieder salonfähig geworden. Etwa unter dem Motto: „Man darf doch mal…“ Anderseits die von Selbstbewusstsein und Dazugehörigkeit strotzende Großveranstaltung der Europäischen Makkabi-Spiele in Berlin und ihr wohlwollender, freundlicher Empfang in der breiten Öffentlichkeit.
Doch die tiefsten Sorgen bereiteten mir die Entwicklungen in Israel, und das nicht wegen des Atomabkommens mit dem Iran. Die genannten gesellschaftlichen Erscheinungen, gegen die wir uns wehren und dafür alle Rechtsorgane auf den Plan fordern, geschehen, G’tt sei’s geklagt, in Israel und bedrohen seine Existenz und Zukunft. Wenn ein jüdischer fanatischer Terrorist zitiert wird mit der Meinung, es sei leichter, den Staat zu zerstören, um ihn dann wieder (als Theokratie) aufzubauen, hat er, was den ersten Teil seiner Aussage betrifft, wohl recht.
In unserem Staat Israel, zu dem wir in Bewunderung und Freude aufschauen möchten, haben Terrorismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und religiöser Fanatismus keinen Platz. Müssen wir nicht endlich aufwachen und die Linie im Sand ziehen? Der Krankheitsherd in unserer Mitte ist nicht weniger bedrohlich als die Feinde von außen. Diesen Chilul Haschem (G’tteslästerung) gilt es aus unserer Mitte radikal zu verbannen.
Möge Er, der Frieden in Seinen Höhen schafft, auch uns Frieden schenken, uns und unseren Lieben persönlich, der Gesellschaft und der Welt, in der wir wohnen, und dem Land Israel und allen, die dort leben, und ganz Israel, wo immer auch.
Leschana towa tikatewu
Landesrabbiner em. Henry G. Brandt
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