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Brücken erhalten in Zeiten der Sprachlosigkeit

von Rabbiner Maximilian Feldhake

Einmal im Jahr kommen Bischöfe/Bischöfinnen der beiden Kirchen und Rabbiner/Rabbinerinnen der beiden Rabbinerkonferenzen zusammen, um über gemeinsame Anliegen zu sprechen. In diesem Jahr fand das Treffen am 6. März 2025 in der Jüdischen Gemeinde Hannover statt. Diskutiert wurde über vier Statements zum Thema „Brücken erhalten in Zeiten der Sprachlosigkeit“. Vonseiten der Allgemeinen Rabbinerkonferenz hat Rabbiner Maximilian Feldhake (Celle) ein Statement gehalten.

"Wir wollen heute miteinander viel reden, austauschen, in den Dialog eintreten – Brücken bauen.
Ich stelle zunächst aber fest, dass eine neue Epoche der lauten Demagogen, der Hetze, der grenzenlosen Propaganda und Lügerei unlängst eingebrochen ist.

Es wird viel geredet – aber man hat den Eindruck, keiner zuhört und erst recht, dass kein Dialog stattfindet. Es herrscht Sprachlosigkeit.

Die jüdische Gemeinschaft Deutschlands und weltweit steht weiterhin vor enorm schwierigen Herausforderungen. Das jüdische Volk ist derzeit Angriffen und Feinden aus allen Richtungen ausgesetzt.
Der seit Jahrzehnten beispiellose Anstieg antisemitischen Hasses, Hetze und Anfeindungen in breiten Teilen der deutschen Mehrheitsgesellschaft ist alarmierend und massiv beunruhigend.
Darüber hinaus ist die Anzahl an gemeldeten antisemitischen Straftaten bundesweit um ein Vielfaches in den letzten Monaten – seit dem 7. Oktober 2023 - gestiegen.

Es ist dazu auch in weiten Teilen der Gesellschaft salonfähig geworden, antisemitische Hamas Propaganda zu vertreten und zu verbreiten: dass Israel einen Völkermord begehe, dass der Staat Israel ein Apartheidstaat sei, dass der Zionismus dem Imperialismus gleichgestellt sei, dass Juden keine historische Verbindung zum Land hätten.

Jede einzelne dieser Behauptungen ist eine Lüge. Das sind nichts mehr als klassische antisemitische Narrative der Vergangenheit, die neu formuliert und verpackt sind.

Vor allem seit dem 7. Oktober beschäftigt mich die Sprachlosigkeit vieler gesellschaftlichen Kräfte und angeblicher Verbündeten. Das Schweigen, als Hamas Gewalt in den Straßen Berlins verherrlicht wurde, als Uni Campi besetzt und zu Schaubühnen antisemitischer Versicherungstheorien und Einschüchterungskampagnen gegenüber jüdischen Studierenden wurden, als von Juden bewohnte Häuser mit Davidsternen bemalt wurden, als Hamas die Geiseln vor ihren Kameras vorführte und die Menschenmengen dabei jubelten, und ebenfalls jüngst, als eine rechtsextremistische, teils sogar faschistische Partei – mit etlichen zutiefst antisemitischen Mitglieder – die zweitstärkste Kraft im deutschen Bundestag geworden ist.

Mich beschäftigt die Sprachlosigkeit – sogar die Unfähigkeit zum Sprechen – wenn Täter-Opfer-Umkehr-Narrative im öffentlichen Diskurs aufgegriffen werden, wenn der Vorwurf des Völkermordes unwidersprochen im Raum steht.

Ich fühle mich selbst sprachlos, da so viele aus der nicht jüdischen Welt offensichtlich weder Geschichte noch die tatsächliche Sachlage zu erkennen vermögen – und zwar, dass Israel kein Kolonialstaat ist, dass Israel 1948 von den benachbarten arabischen Staaten angegriffen worden ist und, dass die Palästinenser die ultimative Verantwortung dafür tragen, dass kein Friedensabkommen zustande gekommen ist.

Sprachlos bin ich allerdings nicht, wenn der Papst, das Oberhaupt der katholischen Kirche, Geschichtsrevisionismus betreibt und ich werde meine Stimme laut erheben, wenn der Papst – als Repräsentant der gesamten Katholischen Kirche – dem Vorwurf Glaubhaftigkeit verleiht, dass Israel einen Völkermord begehe, indem er die Untersuchungen gegen Israel befürwortet.
Aus solchen Aussagen, solchen Ansichten lässt sich kein Dialog wachsen.
Im Gegenteil – solche Äußerungen erinnern Juden an die über Jahrhunderte dauernden einseitigen Verfolgungen, Demütigungen, Ausgrenzungen, und Missachtungen seitens der Katholischen Kirche.
Aus jüdischer Perspektive – egal ob liberaler, orthodoxer, oder säkularer – ist die Sachlage eindeutig, nämlich, dass Israel von Hamas angegriffen worden ist, dass Juden sich weltweit mit Israel solidarisieren, und dass Juden sich gegen unsere Feinde wehren werden.

Dialog ist ein wichtiges, ja sogar unabdingbares Instrument, wenn es um interkulturelle, interreligiöse, und zwischenmenschliche Verständigung handelt.
Wir sind immer dafür bereit, in den Dialog zu treten, Brücken zu bauen, wenn unser Gegenüber auch gesprächsbereit ist.
Aber es muss allen potenziellen Dialogpartnern unmissverständlich klar sein, dass jener Dialog nur dann stattfinden kann, vorausgesetzt, dass der auf Augenhöhe erfolgt und dass unser Gesprächspartner auch seine Stimme gegen unsere Feinde erhebt, dass er nicht sprachlos bleibt, dass er in keinerlei Art und Weise den Feinden des jüdischen Volkes eine Hilfe oder Unterstützung anbietet.

Das ist jüdische Erwartung – und die ist Voraussetzung für den Dialog."

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