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„Dieses laute Schweigen ist unfassbar“

Interview mit Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama 

Obwohl Du wie kaum ein anderer für den jüdisch-christlichen Dialog engagierst, hat Du bei dem Treffen der Bischöfe und Rabbiner in Hannover doch von einer „Zeit des lauten Schweigens“ gesprochen, die endlich zu Ende gehen müsse. Was meintest Du damit?

AN: Es war ein lautes Schweigen zu vernehmen, denn die Massaker an den Teilnehmern des Musikfestivals von Re’im und die Überfälle auf die Kibbuzim sowie die gleichzeitig stattfindenden Luftangriffe der Hamas-Terroristen auf Zentralisrael vom 7. Oktober haben nicht in das Bild der „wehrlosen“ Palästinenser gepasst, das sich viele hierzulande zurechtgelegt hatten. So gab es nur wenig Solidarität mit den israelischen Opfern – und bis heute ist es ja so, dass ich auch aus den Reihen der Politiker in diesem Land wenig Forderungen höre, um die nun schon eineinhalb Jahre verschleppten Geiseln bedingungslos freizulassen. Dieses laute Schweigen ist unfassbar.

Die Vorbereitungsgruppe hatte sich für das Wort „Sprachloskeit“ entschieden, weil die Sprache teilweise an ein Ende gelangt ist. Wie kann man dann trotzdem Brücken erhalten?

AN: Es gibt doch Brücken! Es waren niemals alle Christen, die mit uns waren, aber es gibt auch heute christliche Stimmen, die sehr eindeutig mit uns sind. Seit dem 7. Oktober durch alle Zeiten und ohne „wenn“ und „aber“. Der Berliner evangelische Bischof Christian Stäblein kam zu den Gottesdiensten in Sukkat Schalom unmittelbar nach dem Massaker. Am 7.Oktober 2024 organisierte er in der Berliner Gedächtniskirche zusammen mit dem House of One einen interreligiösen Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer und zur Fürbitte für die Geiseln.

Was hat Dir persönlich der jüdisch-christliche Dialog gebracht?

AN: Es geht doch immer um das bubersche „Du“. Wir sind doch auf der Suche nach diesem Du, einerseits dem Anderen, dem anderen Menschen, andererseits dem ganz Anderen, nämlich Gott. Indem wir Christen (oder Muslime) treffen, sehen wir einen anderen Glauben und können unseren eigenen besser verstehen. In der Begegnung mit Christen (aber auch mit Muslimen) kann man u.a. sehen, wie aus den gleichen biblischen Texten jeweils etwas anderes entstanden ist. Zum Beispiel: In unserer Tradition ist aus dem Höhepunkt des Tempelgottesdienstes – aus dem Opfer, der Kiddusch am Beth Mikdasch me’at, also Brot und Wein am häuslichen Familientisch – entstanden. Wir tun es zum Gedenken an das Schöpfungswerk und den Auszug aus Mizrajim. Bei den Christen ist das der Höhepunkt des Gottesdienstes – das „Abendmahl“ zur Erinnerung an Jesus von Nazareth. Wenn man das weiß, bekommt der Kiddusch plötzlich eine viel stärkere Bedeutung, Kiddusch nicht als häusliche Feier, sondern als Fortsetzung und Höhepunkt des Synagogengottesdienstes – Substitut des Opfers im Tempel.

Was können Juden im Dialog mit Christen lernen?

AN: Martin Buber hat gesagt, dass es zwei Jahrtausende „Vergegnung“ zwischen Christen und Juden gegeben hat. Jetzt gibt es ein Jahrhundert solche Vergegnung zwischen Israelis und Palästinensern. Wenn also die eine Vergegnung in eine „christlich-jüdische Zusammenarbeit“ geführt hat, dann können wir hoffen und beten, dass dies auch zwischen Israelis und Palästinensern gelingen könnte.

Andreas Nachama ist Jüdischer Vorsitzender des Koordinierungsrates der Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit und Stellvertretender Vorsitzender der ARK.

Das Gespräch führte Elisa Klapheck.

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