Heiliges Land
Vor sechs Jahren haben sich verschiedene Rabbiner in der Jüdischen Allgemeinen über die religiöse Bedeutung des Westjordanlandes geäußert, unter ihnen Rabbiner Nils Ederberg und Rabbinerin Ulrike Offenberg. Im Vorspann zur Debatte wurde gefragt: Gehört dieses Land, das in der Tora als Judäa und Samaria bezeichnet wird, wirklich uns? Hat Gott es uns gegeben, damit Juden es verwalten sollen? Oder sollte man dieses Versprechen Gottes nicht wörtlich nehmen – und vor allem eine friedliche Regelung mit den Nachbarn anstreben? Und darf man auf Land, das Gott dem Volk Israel versprochen hat, denn überhaupt verzichten?Nils Ederberg, Masorti-Rabbiner in Berlin
Religion und Politik haben nichts miteinander zu tun? Das Judentum ist da anderer Meinung! Der Dreiklang von Gott, Volk und Land ist und bleibt ein Grundmotiv der Tora. Mit brutaler Deutlichkeit lesen wir aber auch in der Tora, was passiert, wenn wir nicht nach Gottes Willen handeln. Die erste Vertreibung aus dem Land führt die Tora nicht zuletzt auf die Ausbeutung der Armen und Schwachen zurück. Den Grund der zweiten Vertreibung sieht die rabbinische Literatur in »sin’at chinam« – in grundlosem Hass. 2000 Jahre hat das Judentum sich bemüht, Fundamentalisten keinen Raum zu geben. Ihr Hass ist selbstzerstörerisch und vermag andere nur als Feinde zu sehen. Wenn wir heute keine Gerechtigkeit für alle Bewohner des Landes schaffen, so wird Gott uns wieder ins Exil schicken. So einfach und so bitter ist es.
Ulrike Offenberg, liberale Rabbinerin in Hameln
Eretz Israel ist unverzichtbar – seit dem Entstehen einer Diaspora nach der Zerstörung des Ersten Tempels hat das Judentum wohl außerhalb des Landes, aber niemals ohne Bezug auf das Land existiert. Das Land kann nicht aufgegeben werden, denn es ist Teil des Bundes zwischen Gott und Israel. Gott sagt aber: »Mein ist das Land, ihr seid nur dessen Bewohner« (2. Buch Mose 25,23). Es gibt keine menschliche Besitzerschaft, nur den Auftrag Israels, es so zu verwalten und sich selbst so zu führen, wie es unseren Bundesverpflichtungen entspricht. Religiös wäre es denkbar, die Verwaltung über das Westjordanland aufzugeben, sofern das Frieden und Sicherheit für den Rest des Landes bringt und der Zugang zu Heiligen Stätten jederzeit und uneingeschränkt gewährleistet ist. Wenn wir theologische Argumente in der politischen Auseinandersetzung benutzen, müssen wir uns auch selbstkritisch fragen, ob wir diesen religiösen Ansprüchen in unserem eigenen Verhalten, in der Art der Verwaltung dieses Landes gerecht werden.
Wiederverwendung mit freundlicher Genehmigung der Jüdischen Allgemeinen, dort erschienen am 6. Juni 2017.
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