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TEZAWE

Priester im Unterschied zu Rabbinern

Auslegung von Rabbinerin Shillor

Die Priester, die Kohanim, bekamen alle bestimmte Gewänder, die das Stiftzelt, den Mischkan, und seine Ornamente widerspiegelten. Auf diese Weise schienen sie mit ihrer Umgebung harmonisch zu verschmelzen. Der Mischkan ist in seiner einzigartigen physischen Erscheinung kennzeichnend, und so waren auch die Priester. Ist das bloß Zufall? Die Tatsache, dass die Vorschriften für die Kleidung der Priester drei Mal vorkommen, lässt darauf schließen, dass eine tiefere Bedeutung darin steckt. Die Priester sind die „heiligen Gefäße“ des jüdischen Gottesdienstes.

Mit Ausnahme Aharons, wissen wir nichts über die Priester. Die Kohanim sind eine Elite,  ihr Amt basiert nicht auf Verdienst oder Leistung, sondern auf ihrer Herkunft. Sie haben keine erkennbaren Eigenschaften. Wir wissen nicht, ob sie weise waren oder ob sie ihre Führungsqualitäten bewiesen haben. Wir wissen nur, dass sie dem priesterlichen Stamm Levi angehörten. Um sie noch anonymer erscheinen zu lassen, machte ihre Kleidung sie ununterscheidbar von ihrer Umgebung.

Die Priester wurden zu “Dienstwerkzeugen”, wie Samson Raphael Hirsch in seinem Kommentar lehrt. Er bemerkt, dass 1) mir zu dienen immer bedeutet, jemandem die Funktion eines Priesters zu übertragen, nicht ein Priester zu sein;  2) die heiligen Gewänder sind Gewänder des Heiligtums. Sie zeigen, dass ihr Träger im Heiligtum dient; 3) Ehre (kawod) bezeichnet üblicherweise den Eindruck des spirituellen und moralischen Gewichts einer Person auf andere, (‚Ehre’ und ‚Gewicht’ haben beide die Wurzel k-w-d) und ist daher „der wirkliche Charakter der Gewänder“; und 4) der Ephod , der breite Gürtel, bedeutet‚ sich für den Gottesdienst zu gürten“ oder „ bereit zu sein“ Gott zu dienen. Der Rambam schließt daraus, dass die Bedeutung der Priestergewänder darin lag, den Kohanim in den Augen des Volkes Würde zu verleihen.

Wenn der Priester als ein Individuum erkennbar ist, könnte das von seiner Arbeit als Gottesdiener dort ablenken? Ein Priester könnte seiner Arbeit eine persönliche Note verleihen, was sicherlich nicht wünschenswert ist. In diesem Fall würden die Beter nicht den Mischkan oder das Ritual anschauen, sondern den Priester. Sie würden eine Bedeutung im Ritual durch die Persönlichkeit des Priesters finden, anstatt sich auf das Ritual selbst zu konzentrieren. Die Priester sind nur Werkzeuge, nicht Objekte des Gottesdienstes.

Was ist mit dem Rabbiner, der vor der Gemeinde steht? Werden die Rabbiner als die heutigen Priestern betrachtet? Die einfache Antwort ist „nein“. Erstens, stellen wir fest, dass die Synagoge nicht eine kleinere Version des Tempels ist. Die Synagoge ermöglicht den Menschen, sich zu versammeln und zu studieren, und somit Gott nicht nur durch Rituale zu dienen. Die Synagoge ist zuerst ein Versammlungshaus. Opfer sind nicht mehr Teil der jüdischen Religion.

Zweitens ist ein Rabbiner eher ein Lehrer als ein Priester. Wir alle waren von hervorragenden Lehrern inspiriert, und die Rabbiner sind nichts anderes - wir suchen Inspiration und Ermutigung bei ihnen. Die Priester dagegen waren Aristokraten von Geburt, und es bestand die Gefahr, dass Menschen sie nicht als gewöhnliche Sterbliche ansehen würden. Rabbiner jedoch sind gewöhnliche Sterbliche, die leiten, hoffentlich, durch Verdienst. Sie mögen ausgebildet sein und über fundiertes Wissen verfügen, aber sie bleiben immer Menschen. Ist das der Grund, weshalb Rabbinerroben heutzutage selten zu sehen sind?

Und zum Schluss: die Menschen sind anders. Wir sind nicht mehr die Israeliten, die Gott mit Opfern dienten und dafür die Priester brauchten. Wir sind Juden, die zum Rabbiner aufschauen, damit er uns inspiriert. Wir erwarten weder, dass Gewänder einen Rabbiner darstellen, noch ihn verstecken. Wir ziehen es vor, unseren Rabbiner zu kennen. Wir suchen nach Inspiration, aber nichts ist uns lieber als eine gute Debatte – und mit wem kann man besser diskutieren als mit jemandem, der fast so viel wie wir über das Judentum weiß?

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Norddeutschen Rundfunk, dort gesendet am 2.3.2012.



26.02.2016 Artikelarchiv >>
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