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TISCHA B'AW

Zurechtweisungen für die nationalen Tragödien

Auslegung von Rabbiner Brandt

Gedämpft, ihrer sprudelnden Freude entblößt, verbreiten die Melodien für diesen Schabat eine vorausschauende Stimmung der Trauer und Betroffenheit. Denn in der nun anbrechenden Woche begeht die Jüdische Gemeinschaft weltweit den Fast- und Trauertag des 9. Av, in der Erinnerung an die Zerstörung der beiden großen Tempel zu Jerusalem in den Jahren 586 vor – und 70 nach unserer Zeitrechnung. Die für diese Woche festgelegte Lesung aus den Büchern der Propheten ist die dritte und für dieses Jahr, die letzte der großen Zurechtweisungen, in welchen die nationalen Tragödien in Zusammenhang mit dem moralischen Verhalten des Volkes gebracht werden.

Hammerschlägen gleich behauen die Worte Jesajas (1:1-27) auch heute noch die harte Schale um unsere Herzen. Kalte Schauer laufen einem den Rücken hinab, da man sich bewusst wird, wie zeitgemäß und unserem Verhalten angemessen diese Warnungen sind. Ich zitiere: „Höret, ihr Himmel, horche auf, o Erde! Denn der Herr redet: Kinder habe ich großgezogen und emporgebracht und sie – sind von mir abgefallen. Der Ochse kennt seinen Meister und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel hat keine Einsicht, mein Volk hat keinen Verstand. O wehe der sündigen Nation, dem schuldbeladenen Volke, der Brut von Bösewichten, den missratenen Kindern! Verlassen haben sie den Herrn, verworfen den Heiligen Israels, haben den Rücken gewandt. (...) Bringet nicht mehr unnütze Gaben – ein Gräuelopfer ist es mir. Neumond und Sabbat, Versammlung berufen – ich mag nicht Frevel und Feiertage; auch wenn ihr noch so viel betet, ich höre es nicht. Eure Hände sind voll Blut: waschet, reinigt euch!“ Ende des Zitats aus dem Buch des Propheten Jesaja.

Die Wucht der Worte verschlägt einem den Atem. Der Kern der Botschaft liegt in dem Satz: „Ich mag nicht Frevel und Feiertag.“ Die Formen des religiösen Lebens erhalten ihren Wert und Sinn nur auf dem Fundament des rechtschaffenen und moralischen Lebenswandels. Nicht „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“ fordern die Propheten Israels, wobei gerechter und brüderlicher Umgang mit den Mitmenschen eindeutig den Vorrang erhält.

Die Übel, welche Propheten und, später, die Rabbis und Weisen Israels als Gründe für den Verlust des Tempels und des Landes anprangern, existieren und gedeihen auch in unserer Gesellschaft und in unserer Zeit wie ehedem. Auch der Staat Israel bildet da keine Ausnahme. Wir wären wohlberaten diesen Umstand, gerade in unserer Zeit selbstkritisch zur Kenntnis zu nehmen.

Ich entbiete Ihnen, meine lieben Zuhörer, den Gruß des Schabbatfriedens. Schabat Schalom.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des rbb, dort gesendet am 5.8.2011.




03.08.2012 Artikelarchiv >>
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