hauptmotiv

SCHAWUOT

Freiheit durch Gebote

Auslegung von Rabbiner Alexander Nachama

Schawuot gehört zwar zu der Reihe der „Schalosch Regalim“, der drei Wallfahrtsfeste, wird aber im Vergleich zu Pessach und Sukkot häufig unterschätzt. Dabei ist die Bedeutung von Schawuot mit den anderen Feiertagen gleichzusetzen. Die Bezeichnung „Schawuot“ („Wochen“) ist mit den sieben Wochen der „Omerzählung“ verbunden, die dem Feiertag überhaupt erst ein genaues Datum geben.

Die Tora selbst bezieht sich stets auf diese Zählung, wenn es um die Datierung von Schawuot (6. Siwan) geht. Schawuot wird auch als „Jom Ha-Bikkurim“ („Tag der Erstlinge“) bezeichnet. So gebietet die Tora, dass an Schawuot die ersten Früchte des Weizens in den Tempel gebracht werden sollten. Erst danach war der Genuss der Weizenernte erlaubt.

Dies kann seit der Zerstörung des Tempels nicht mehr praktiziert werden, jedoch hat Schawuot noch eine zweite, wichtige Bedeutung, wie es im Kiddusch heißt: „Du gabst uns in Liebe (...) Schawuot, die Zeit unserer Toragebung.“

An Pessach feiern wir bekanntlich den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Aus Sklaven wurden freie Menschen. Was bedeutet Freiheit im Judentum? Freiheit bedeutet nicht etwa, dass jeder tun kann was er möchte. Freiheit bedeutet vielmehr die Möglichkeit zu haben, nach den Geboten der Tora Leben zu können. Deshalb sagen Mosche und Aaron wiederholt als sie vor dem Pharao stehen: „So spricht der Ewige: Lass mein Volk ziehen, dass es mir diene.“ (2. M. 7,26).

An Schawuot schließt sich der Kreis, denn 50 Tage nach dem Auszug aus Ägypten erhalten die Israeliten durch die Offenbarung der Tora am Berg Sinai ihre vollständige Freiheit. So war es möglich, nach Gottes Geboten zu leben und somit Gott zu dienen. Das bedeutet: Die Gebote schränken uns in unserer Lebensführung nicht ein, sondern sie geben uns Freiheit.

Jede Gesellschaft sollte auf Gesetzen beruhen, die die Freiheit des Einzelnen schützen. In einer Gesellschaft ohne ein für alle verbindliches Gesetz, gilt das Recht des Stärkeren: Das gefährdet die Freiheit des Einzelnen. Ein für alle verbindliches Gesetz kann da her ein Garant für die Freiheit sein. Was allgemein gilt, das gilt besonders in Bezug auf die Tora: Sie ist der Garant unserer Freiheit.

An Schawuot soll das Buch Ruth gelesen werden, das die Geschichte einer Frau erzählt, die sich bewusst dazu entscheidet in den Bund einzutreten und jüdisch zu leben. Ebenso haben sich die Israeliten am Berg Sinai bewusst dazu entschieden, nach den Geboten der Tora leben zu wollen, wie es heißt: „Alles, was der Ewige geredet, wollen wir tun!“ (2. M. 19,8).

Es gilt zu beachten: Die Tora ist kein starres Regelwerk. Vielmehr ist es die Aufgabe jeder Generation sie zu lesen, zu lernen und zu verstehen, Antworten auf (neue) Fragen, die die Zeit mit sich bringt, zu finden. Es liegt daher heute an uns, sie zu studieren und zu bewahren, schließlich empfängt jede Generation die Tora an Schawuot aufs Neue: „Diesen Bund hat der Ewige nicht mit unseren Vätern geschlossen, sondern mit uns, die wir heute hier sind, mit allen, die jetzt leben“ (5. M. 5,3).

aus dem ARK Mitteilungsblatt, Nr. 14, Schawuot 2023/5783

02.06.2023 Artikelarchiv >>
Rabbiner & RabbinerinnenStrömungenPositionenBet DinPublikationenLinksImpressum
Bookmark für: Facebook
Home
logo der allgemeinen rabbinerkonferenz

© Allgemeine Rabbinerkonferenz
Meldungen

Pessach 5784 / 2024

Trotz der Ungewissheit

von Rabbinerin Elisa Klapheck

Was ist das Ziel? Der Auszug aus Ägypten bedeutete nicht nur den Weg heraus aus der Sklaverei. Genauso wichtig, ja sogar noch wichtiger war das Ziel – dass es überhaupt ein Ziel gab. Daran scheitern die...

Lesen Sie mehr...

Wie kommt ein Jude in den Himmel?


Paraschat Haschawua

MEZORA

Auslegung von Rabbiner Almekias-Siegl

Was die Haut offenbart

Zara’at steht für die Störung im sozialen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Miteinander

Der Abschnitt Mezora widmet sich Menschen, die von Aussatz befallen sind. Die Flecken, die den Körper eines Aussätzigen verunstalten, kommen nicht von ungefähr – so die Erklärung der Tora. Sie zeigt, dass der Kranke schlecht...

19.04.2024   Lesen Sie mehr...