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WA'ERA

Eine Geschichte, die immer wieder Mut macht

Auslegung von Rabbinerin Gesa Shira Ederberg

Im heutigen Wochenabschnitt Wa’era nimmt das Drama der Befreiung des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten an Fahrt auf. Was ist bisher geschehen? Der junge Mosche wächst als Adoptivkind am Hof des Pharao auf und muss fliehen, weil er einen ägyptischen Sklaventreiber umgebracht hat. Er findet eine neue Heimat und eine neue Familie im Exil in Midian. Dort erscheint ihm Gott in einem brennenden Dornbusch und teilt ihm mit, dass er in Gottes Auftrag nach Ägypten gehen soll, um das Volk Israel aus Ägypten zu befreien. Pharao aber will das Volk nicht gehen lassen, ja, die Unterdrückung wird nur noch schlimmer.

In dieser Situation beginnt unser Wochenabschnitt mit einer großen Rede Gottes an Mosche. Er ist der Gott seiner Vorfahren, Awraham und Sara und ihrer Kinder, Gott hat einen Bund mit ihnen, dem Volk Israel, geschlossen und hat ihr Klagen gehört. Mosche soll ihnen sagen, dass er sie aus der Sklaverei befreien und sie ins gelobte Land bringen wird. Was kann man mehr erwarten? Gott mit seiner Liebe und seiner Macht setzt sich für dieses Volk, diesen Haufen Sklaven ein.

Aber die Antwort des Volkes bleibt aus. Sie hören nicht auf diese Verheißungen Gottes, denn die Sklavenarbeit hat sie gebrochen und ihnen jeden Mut genommen. Wörtlich heißt es: „Als Mosche so zu den Kindern Israels sprach, da hörten sie nicht auf ihn wegen gebrochenem Geist und schwerer Arbeit.“

Mosche hatte nur darum die Kraft gefunden, sich gegen die ägyptischen Sklavenaufseher zu wehren, weil er in Freiheit aufgewachsen war. Nachdem anfangs – wir haben es letzte Woche gelesen – das Volk Hoffnung schöpfte und auf Mosche und Gott vertraute, reagierte es jetzt nicht mehr auf Mosche, denn Pharao hatte als Reaktion auf die Forderung, dieses Volk ziehen zu lassen, die Zwangsarbeit noch verschärft.

Der biblische Bericht erzählt nun davon, wie Gott die Sache in die Hand nimmt, immer wieder Mosche bestärkt und so das unschlüssige Volk bei der Stange hält. Zehn Plagen, eine schlimmer als die andere, bringen Pharao schließlich dazu, das Volk ziehen zu lassen. Eigentlich sollte uns diese Erzählung mutlos machen. Einmal vor langer Zeit hat Gott eine bestimmte Gruppe von Menschen gerettet. Oft ist es aber auch heute noch der Fall, dass Unterdrückung und Ausbeutung stärker sind als die Hoffnung und die Kraft der Menschen, einen Weg aus dieser Lage zu finden.

Trotzdem aber hat diese Geschichte wie keine andere Menschen immer wieder Hoffnung gemacht und ihnen Kraft gegeben. Juden erinnern sich jedes Jahr zu Pessach an den Auszug aus Ägypten. Beim Pessach-Seder sitzen die Familien beieinander und erzählen sich diese Geschichte der Befreiung und sagen. Wer sich nicht selber heute als befreiter Sklave versteht, der ist immer noch – auch im Jahre 2019 – Sklave in Ägypten. Auch in der christlichen Tradition beziehen sich immer wieder Unterdrückte und Ausgebeutete auf diese Geschichte. Nicht zuletzt die Bür-gerrechtsbewegung in den USA, deren Protagonisten selber aus ehemaligen Sklavenfamilien stammten, hat sich immer wieder auf die Befreiung aus Ägypten bezogen. So ist es paradox, dass gerade eine Geschichte, die von mutlosen und murrenden Menschen erzählt, immer wieder Mut und Zuversicht schaffen kann. Deshalb sollen wir sie immer wieder erzählen. Uns, unseren Kindern und der ganzen Welt.

Wiederverwendung mit freundlicher Genehmigung des Norddeutschen Rundfunks. Der Beitrag wurde dort gesendet 04.01.2019 gesendet.


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