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TOLDOT

Bitterer Preis in einer unperfekten Welt

Auslegung von Rabbiner Daniel Alter

Auch seine Mutter zahlt den Preis für ihre Handlungen. Sie muss zusehen, wie Jakob aus dem Haus der Eltern ins Exil flieht um nicht von seinem Bruder Esau ermordet zu werden.

Esau wird seiner Mutter, die den Betrug gegen ihn initiiert hat, wohl kaum ein liebender Sohn gewesen sein. So können wir uns Rebekka in einer schon fast tragischen Isolation vorstellen.

Obwohl ihre Sünde gegen Isaak offensichtlich ist, erhält Jakob trotzdem Segen und Erstgeburtsrecht und wir hören kein Wort des Bedauerns oder des Mitleids, weder von Isaak noch von Rebekka.

Wenn dies aber eine Sünde war, wieso können dann die Sünder einen Vorteil daraus ziehen?

Gehen wir davon aus, dass Esau seinem Vater eigentlich recht war für den Segen und das Erstgeburtsrecht. Sein Nachfolger musste fähig sein, die Familienehre aktiv zu verteidigen, um so die Botschaft eines ethischen Monotheismus zu schützen und weiter zu verbreiten.

In einer Welt, die sehr weit von Perfektion und Vollkommenheit entfernt ist, scheint es oft notwendig zu sein, ebenso unperfekte Mittel anzuwenden, um das gewünschte und vielleicht auch legitime Ziel zu erreichen.

Allerdings bin ich der Meinung, dass der Zweck wirklich nicht jedes Mittel heiligt. Aber manches sehr legitime Ziel erfordert unter Umständen sehr schwierige und manchmal auch fragwürdige Mittel.

Sicher hat es Isaak nicht gerade mit Stolz und Freude erfüllt, als er erfahren musste, dass sein ältester Sohn sein Erstgeburtsrecht für einen Teller voll Linsen verkaufte. Spätestens hier hätte Isaak merken müssen, dass dieser rauhe und undisziplinierte Jäger sich nicht für die Übernahme des Familiengeschäfts eignen würde.

Isaak war dabei, einen tragischen Fehler zu begehen, als er die Mission Abrahams in die Hände des Sohnes legen wollte, der sich nicht wirklich dafür eignete.

Schließlich konnte die jüdische Geschichte nicht schon an diesem Punkt zu Ende gehen. Die Vision Abrahams musste erfüllt werden. Und daraus entsprang eine riesige Verantwortung, deren Last auch Rebekka und Isaak gespürt haben müssen.

Die Wahl, die wir im Leben haben, ist oft nicht die einfache Wahl zwischen schwarz und weiß. Viel öfter haben wir die Wahl zwischen verschiedenen Grautönen. Dann, wenn jede Entscheidung sowohl richtig als auch falsch ist.
In manchen Situationen ist das Gebot der Stunde, Dinge tun zu müssen, die wir vielleicht selbst als fragwürdig empfinden. Diese müssen wir trotzdem tun, um größeren Schaden abzuwenden.

Wenn wir in so eine Situation kommen, dann müssen wir die Verantwortung dafür übernehmen und eventuell sogar eine Strafe dafür akzeptieren. Aber handeln müssen wir so oder so.

Rebekka tat, was sie tun musste, um Esaus Übernahme der Führerschaft über Israel zu verhindern. Und gleichzeitig musste sie die bitteren Konsequenzen ihres Handelns tragen und ertragen.

Vielleicht ist dies der wahre, bittere Preis, der gezahlt werden muss für Führungs- und Entscheidungskraft in einer unperfekten Welt.  

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des NDR, dort gesendet am 13. November 2015.

26.11.2020 Artikelarchiv >>
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