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WAJIGASCH

Einzelgänger mit Charakter

Josef ist wohl eine der am meisten unterschätzten Persönlichkeiten in der Bibel. Josef war der letzte der großen Einzelgänger, Träger der göttlichen Verheißung und Wegbereiter des Einzugs des Volkes Israel in die Geschichte der Menschheit und in den Heilsplan Gottes.

Dabei erschienen in seiner Jugend seine Charaktereigenschaften nicht vielversprechend zu sein. Zwischen den Zeilen des biblischen Berichtes lesend, können wir uns Josef als einen überheblichen Jüngling vorstellen. Er wurde favorisiert und verwöhnt, wofür das Geschenk des farbig gestreiften Mantels nur greifbarer Beweis war. Eigentlich hätte sein Vater Jakob es besser wissen müssen, hatte er doch selbst die Leiden und tragischen Folgen parteiischer Elternliebe erfahren. Mag Josefs Schicksal auch Gottes Vorsehung und Plan für ihn gewesen sein, seine gekränkten und enttäuschten Brüder konnten dies in ihrer existentiellen Situation nicht erkennen. Und so reagierten sie – wie es in den meisten Fällen geschieht – mit Ablehnung und Hass.

Entfernt von den Gefühlsströmen und Spannungen innerhalb der Familie, weit entrückt von Heim und Heimat, zeigten sich die wahren Züge seines Charakters. Josef erwies sich als besonnener, gradliniger und integerer Mensch. Friedfertig und versöhnlich, intelligent und von tiefem Glauben beseelt. Er erkannte sich in der Hand und als Instrument Gottes. Dessen Wille - und nicht die eigenen Gefühle, eigenes Verlangen und Bedürfnisse - standen im Mittelpunkt des Geschehens. So verblieb ihm, trotz seiner Erfolge und der Fülle seiner Macht, eine bestechende Bescheidenheit.

Drei Szenen aus dem Leben Josefs waren für seine Einstellung bezeichnend.

Erstens: Als seine Brüder ihn beschworen, es ihnen nicht nach ihrem Tun zu vergelten, beruhigte er sie und stellte selbst ihre ruchlosen Vergehen gegen ihn unter die unergründliche Vorsehung Gottes. Schließlich hatte doch gerade ihre böse Absicht zu seinem Erfolg in Ägypten geführt.

Zweitens: Da man Josef berichtete, sein Vater sei todkrank, eilte er, der Vize-Pharao von Ägypten (!) mit seinen zwei Söhnen, Efrajim und Menascheh, an das Krankenbett Jakobs.

Drittens: Als Josef seinen eigenen Tod nahen fühlte, ließ er seine Brüder schwören, dass sie seinen Leichnam zur ewigen Ruhestätte nach Kanaan mitnehmen, wenn sie in der Zukunft dorthin zurückkehren würden. Er war und blieb ein treues Glied in der Folge seiner Väter Abraham, Isaak und Jakob. Und seine Wurzeln blieben in der Erdedes verheißenen Landes. Josef hatte Ägypten treu und mit allem Können und voller Energie gedient. Trotzdem hatte er sich und das Seine nicht verleugnet. Er war somit der Modelltyp und das Vorbild des weltoffenen Juden in der Diaspora, der im Dienst der Menschheit und im Rahmen einer pluralistischen Gesellschaft, gleichzeitig Jude
und Mensch zu sein wusste.

In seiner Person und Geschichte zeigt uns die Bibel wieder einmal auf, welche hervorragenden Möglichkeiten uns gegeben sind, etwas aus uns und unserem Leben zu machen.

Ich entbiete Ihnen, meine lieben Zuhörer, den Gruß des Sabbatfriedens: Schabbat Schalom.

Wiederverwendung mit freundicher Genehmigung des RBB, dort gesendet am 06.01.2017.

03.01.2020 Artikelarchiv >>
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