hauptmotiv

EMOR

Sein statt Schein

Rabbiner und Priester sollen ihre Heiligkeit nicht durch Äußeres zur Schau tragen

Auslegung von Rabbiner Almekias-Siegl

Das 3. Buch Mose wird in der jüdischen Tradition als »Buch des Priestertums« bezeichnet. Darin geht es vor allem um Beschreibungen für den Dienst in der Stiftshütte und der Opferungen, die nur von den Priestern (Kohanim) ausgeführt werden dürfen.

Der Wochenabschnitt Emor handelt von verbotenem und erlaubtem Tun des aaronitischen Priestergeschlechts. Israeliten, die nicht aus dem Geschlecht Aharons sind, werden durch diese Anweisungen nicht in die Pflicht genommen. Schlüsselwörter dieser Bestimmungen für die Priester sind »Heiligung« und »heilig«.

Vorschriften

Unsere Parascha beschreibt ganz präzise, was ein Priester tun muss – und was ihm verboten ist, damit er rein bleibt. All den Vorschriften nachzukommen, war keineswegs leicht. So war es Priestern zum Beispiel verboten, mit Toten in Berührung zu kommen, und es gab für sie spezielle Heiratsbeschränkungen: Sie durften weder eine Prostituierte noch eine geschiedene oder eine zum Judentum konvertierte Frau oder deren Nachkommen heiraten. Und dem Hohepriester war es gar verboten, eine Witwe zu heiraten.

Die Kohanim waren die geistige Elite des Volkes Israel und die Verbindung zwischen G’tt und Volk. Deshalb mussten sie sich heiliger verhalten als alle anderen Israeliten. Es gab für sie zusätzliche Gebote und Verbote. Sie dienten dazu, die Priester vom Rest des Volkes zu unterscheiden und ihren besonderen Status hervorzuheben. Die Priester versahen die wichtige Aufgabe, die Opfer im Tempel darzubringen. Das war der Weg, auf dem der einfache Mensch den Ewigen erreichte.

Berufsstand

Im 3. Buch Mose 21, 7–8 wird über den besonderen Stand der Priester im Volk Israel gesagt: »Denn heilig ist er seinem Gott, du sollst ihn heilig halten, denn das Mahl seines Gottes bringt er dar; heilig sei er dir, denn heilig bin ich, der Ewige, der euch heiligt«. Handelt es sich bei der Heiligkeit des Priesters um eine in seinem Herzen und Blut verankerte, weil er in der Geschlechternachfolge Aharons steht? Bekommt er seine »Heiligung« von Gott in die Wiege gelegt? Oder wird sie ihm zur Verpflichtung und Aufgabe gemacht, dass er sie – wie alle anderen aus dem Volk – erst erwerben muss?

Der israelische Naturwissenschaftler und Religionsphilosoph Jeschajahu Leibowitz (1903–1994) hat herausgearbeitet, dass sich »Heiligung« in allen biblischen Aussagen ausschließlich auf Gott bezieht. Er ist heilig. Er muss sich Heiligkeit nicht erst erwerben. Sie ist Ihm zu eigen. Er befindet sich im unveränderlichen Zustand der Heiligkeit.

Dem gegenüber stehen die Aussagen, die die Heiligung des Menschen, die Heiligung Israels insgesamt betreffen. Hier handelt es sich ausdrücklich um eine Forderung, wenn gesagt wird: »Ihr sollt heilig werden.«

Beschreibung

Auffällig ist die Beschreibung, die für die Heiligung des Priestertums verwendet wird. Es heißt: »Heilig sollen sie sein für ihren Gott« – und eben nicht für sich selbst.

Der Rabbi von Wollogin nimmt deshalb an, dass auch die Priester nicht von Natur aus heilig sind, und sie sollen sich auch nicht als heilig ansehen. Ihre Heiligung besteht darin, dass sie ein entsprechendes heiliges Verhalten an den Tag legen. Sie haben ihren Mitmenschen gegenüber eine besondere Vorbildfunktion.

Der Rabbi von Wollogin ergänzt: »Sie sollen sich nicht durch ihre Kleidung heiligen.« Er meint damit, die Priester dürfen sich nicht dazu verleiten lassen, sich durch extravagante Kleidung als heilig ausweisen zu wollen. Sie ist als Dienstkleidung zu verstehen, die nur im Tempel getragen werden soll. Außerhalb sind die Priester allen anderen Menschen gleichgestellt. Entsprechend sollen sie sich auch kleiden. Verhalten sie sich aber nicht nach dieser Anweisung, handelt es sich keinesfalls um eine Heiligung des Himmels. Vielmehr stellen sie dann ihre Überheblichkeit zur Schau.

Diese Erklärung des Rabbiners kann für Generationen von Priestern als verbindlich gelten und vielleicht sogar als eine mehr oder weniger polemische Andeutung in Richtung chassidischer Rabbiner (Admorim) aufgefasst werden, die von sich selbst groß denken und sich auch nicht scheuen, ihre Heiligkeit nach außen zu tragen, obwohl wir keinen Tempel mehr haben, der durch seinen Bestand besondere äußerliche Kennzeichen von Heiligkeit erforderlich machte. Dagegen besteht die Funktion aller Rabbiner heutzutage allein darin, die Tora zu lehren.


Wiederverwendung mit freundicher Genehmigung der Jüdischen Allgemeinen, dort erschienen am 19.05.2016.


24.05.2019 Artikelarchiv >>
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