hauptmotiv

WAJECHI

Der Ort des Grabes

Auslegung von Rabbiner Almekias-Siegl

Das 1. Buch Mose endet mit dem Abschnitt „Wajechi“. In ihm findet die Ära der drei Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob ihren Abschluss. Wiederholt wird uns im Buch Genesis von Persönlichkeiten erzählt, die dazu ausersehen sind, die Tradition ihrer Vorfahren fortzusetzen. So wurde zunächst Isaak von Abraham erwählt, Ismael aber ging leer aus. Von Isaak wurde wiederum Jakob zum Erben der Segenstradition erwählt und nicht Esau. Die 12 Söhne Jakobs wurden jedoch allesamt als Erben durch ihren Vater bestätigt, um die Tradition fortzuführen. „Es gibt keine Untauglichkeit unter Jakobs Nachkommen“, sagt der Midrasch.

In unserem Abschnitt lesen wir, dass Jakob im Sterben liegt und seine Söhne sich um sein Sterbebett versammeln. Man sieht dort ein kleines Volk stehen, „ein Volk, das abgesondert wohnt.” Ein Volk, das seine Seele in Richtung seines Landes und Geburtsortes erhebt. Ein Volk, das die Tradition seiner Vorfahren weiter tragen wird.

Im Abschnitt Wajigasch, der unserem aktuellen Wochenabschnitt Wajechi vorangeht, steht geschrieben: „Israel aber blieb im Lande Ägypten, im Lande Goschen, wohnen; sie erwarben sich dort Eigentum, waren fruchtbar und vermehrten sich sehr.“ (Gen 47, 27) Die 70 Seelen, die mit Jakob nach Ägypten gekommen waren, vermehrten sich erheblich und ihre wirtschaftliche Situation entwickelte sich glänzend – und das alles in einem fremden Land.
Während seiner 17-jährigen Aufenthaltsdauer in Ägypten beunruhigte und störte den alten Vater Jakob diese Entwicklung zunehmend. Schon auf dem Weg nach Ägypten hegte er die Befürchtung, seine Nachkommen könnten ihre Herkunft vergessen. Wie sehr ihn dieser Gedanke beschäftigte, ja ängstigte, erkennen wir auch daran, dass Gott selbst ihn beruhigte und ihm versprach: „Ich bin Gott, der Gott deines Vaters, fürchte dich nicht, nach Ägypten hinabzuziehen; denn ich will dich dort zu einem großen Volk machen.” (Gen 46,3)

Und nun muss er tatsächlich miterleben, wie sich seine Kinder und Kindeskinder in Ägypten integrieren und stabilisieren. Wer konnte da noch ernsthaft erwarten, dass sie jemals zurückkehrten in das ihnen versprochene Land Kanaan, nach Israel? – Denn durch Ansiedlung und Assimilation lief das Volk Gefahr, sich aufzulösen und die Erinnerung an seine Zukunft zu verlieren.

Konkret bringt Jakob diese Sorge in einem Gespräch mit seinem Lieblingssohn Josef zum Ausdruck. Er beschwört ihn, wenn er schon nicht zu Lebzeiten nach Israel zurückkehren könne, dass Josef Verantwortung dafür übernimmt, wenigstens seine Gebeine ins gelobte Land zu überführen und dort bestatten zu lassen. Diese Anweisung sollte seinen Söhnen und den kommenden Generationen Hinweis darauf sein, wo sie hingehörten.
Und Jakob erinnert seinen Sohn Josef daran: „Denn als ich von Paddan zurückkam, starb mir Rachel im Lande Kanaan auf dem Wege, da noch eine Strecke Land war bis Ephrat und ich musste sie dort auf dem Wege nach Ephrat, das ist Bethlehem, begraben.“ (Gen 48,7)

Auf die Frage, warum der sterbende Vater seinem Lieblingssohn die Örtlichkeit des mütterlichen Begräbnisses so detailliert mitteilt, während er doch gerade von ihm verlangt hat, seine sterblichen Überreste nach Kanaan mitzunehmen und in der Höhle Machpela in Hebron zu beerdigen, antwortet der große Kommentator Raschi: „Auch wenn ich dir befehle, mich im Lande Kanaan zu beerdigen, aber ich es nicht in gleicher Weise mit deiner Mutter getan habe, weil ich sie auf dem Weg nach Bethlehem beerdigt habe, so geschah es aus dem Grund, dass sie einst aus ihrem Grab tritt, um über ihre Kinder, Gottes Erbarmen herabzurufen, wenn sie sich auf dem Weg ins Exil  mit Nebuzaradan befinden.

Dazu lesen wir beim Propheten Jeremia: „Eine Stimme zu Rama wird gehört, bitterlich weinend, Rachel weint um ihre Kinder. Und Gott antwortet: Halte deine Stimme vom Weinen zurück und deine Augen von den Tränen; denn ein Lohn ist für dein Tun vorhanden – ist der Spruch des Ewigen – sie werden zurückkehren aus dem Lande des Feindes.“ (31,16)

28.12.2018 Artikelarchiv >>
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