hauptmotiv

KI TEZE

Gegen die Willkür

Auslegung von Rabbiner Brandt

Gewisse Bibelausgaben und  - Übersetzungen versuchen es dem Leser leichter zu machen, indem sie Abschnitte und Kapitel mit Überschriften versehen, deren Zweck es ist den Inhalt in einigen passenden Worten zu kennzeichnen. Müßig zu bemerken, dass dieses Unterfangen nicht leicht ist und des Öfteren kläglich ausfällt. Im Zusammenhang mit dem für diesen Schabat festgelegten Wochenabschnitt ‚Ki Teze‘ fand ich in einem dieser Texte die Überschrift: Verschiedene Gebote und Vorschriften. Nun kann man nicht behaupten dies stimme nicht, denn wahrlich, die angesprochenen Kapitel enthalten eine Anzahl unterschiedlicher Gesetze und Gebote.
Der angesprochene Wochenabschnitt befasst sich mit Themen aus unterschiedlichen Bereichen des gesellschaftlichen und religiösen Lebens. Im Detail spiegeln sie die Realitäten lang vergangener Zeiten wieder. Die grundsätzlichen Aussagen aber, die sich hinter diesen Details verbergen, tragen den Stempel der fortwährenden Gültigkeit. Es ist diese Vielschichtigkeit, welche biblische Gesetzgebung so bedeutend gestaltet.
Die Torahlesung öffnet mit Vorschriften über die Behandlung weiblicher Gefangener nach einer Kriegshandlung. Bemerkenswert wie deren Personen und Gefühle der Willkür des Siegers entzogen wird und er zu Rücksicht und menschlichem Verhalten ermahnt wird. In der Folge verbrieft die Schrift den Vorzug des Erbrechtes des Erstgeborenen in einer polygamen Gesellschaft. Auch hier wird der Willkür ein Riegel vorgeschoben, indem es verboten wird die Gefühlseinstellung des Mannes zu seinen verschiedenen Frauen zum Kriterium seiner Erbaufteilung unter seinen Kindern zu machen.
Es wird vorgeschrieben, dass verlorenes Gut des Mitmenschen zu bewahren und ihm zurückzuerstatten ist, sei er auch dein Feind. An einem unter seiner Last zusammengebrochenem Tier soll man nicht ohne ihm zu Hilfe zu eilen vorbeigehen. Überhaupt enthält dieser Abschnitt verschiedene Vorschriften, die das Thema des Tierschutzes ansprechen. Interessant ist die einem Bauherren aufgelegte Pflicht um sein flaches Dach ein Geländer zum Schutz der Bewohner zu errichten.
Recht offensichtlich ist, dass die Schrift die Möglichkeiten der umfassenden Gesetzgebung in keinem Bereich ausschöpft. Uns sollen die Grundsätze vermittelt werden, die es uns ermöglichen eine gerechte und menschliche Gesellschaftsordnung aufzubauen, im Rahmen welcher jeder Mensch in Ruhe und Frieden, ohne Furcht und Bedrängnis, leben kann. In verhältnismäßig wenigen Federstrichen ist uns die Richtung angegeben,  in der wir unser Leben gestalten sollen, wenn es uns mit Gottesdienst aus Liebe und Nächstenliebe ernst ist.
So wird auch folgende Legende über Hillel erzählt:
Ein Heide wollte einmal die großen jüdischen Gelehrten seiner Zeit ärgern. Zuerst wandte er sich sich an den strengen und jähzornigen Schamai und bat ihn, er solle ihm doch die ganze Torah erklären, während er auf einem Bein stehe. Erbost über die Frechheit solch eines Anliegens vertrieb ihn Schamai mit seinem Stock. So kam der Heide zu dem sanften und geduldigen Hillel. Dieser, durch dieses Ansinnen gar nicht aufgebracht, antwortete in aller Ruhe, sinngemäß: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füge keinem anderen zu! Dies ist die ganze Torah, der Rest ist Kommentar. Nun gehe hin und lerne!“
Hillel hätte die goldene Grundregel auch anders definieren können; doch das Wesentliche war, dass er einen Grundsatz formulierte, der als Eckstein des Gesetzesgebäudes dienen konnte.
In diesem Sinn sind die Gebote der Bibel Wegweiser. Die Wege selbst zu bauen und auf ihnen entlang zu schreiten ist den Menschen aller Generationen als Aufgabe vorgegeben. Eine Aufgabe, die Herausforderung, Dienst und Privileg zugleich ist.

Ich entbiete Ihnen, verehrte Zuhörer, den Gruß des Schabatfriedens:
Schabat Schalom.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des RBB, dort gesendet am 20.8.2010.

07.09.2018 Artikelarchiv >>
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