hauptmotiv

JITRO

Falscher Führer

Es ist verboten, alle Hoffnung und Zuversicht in einen Menschen zu setzen

Auslegung von Rabbiner Rothschild

Die »Zehn Gebote« kennt jeder. Doch die Rabbinen hatten etliche Probleme mit diesem Begriff, der auf Hebräisch »Asseret HaDibrot« heißt, »die zehn Wörter«. In vielen Gemeinden wurde entschieden, nicht aufzustehen, wenn sie gelesen werden. Man wollte nicht den falschen Eindruck erwecken, diese zehn seien die einzigen wichtigen Gebote. Schließlich gibt es, so die Rabbanim, noch 603 weitere. Auch wie man die zehn Gebote zählt, und wo man zwischen den Versen unterscheidet, war und bleibt eine Frage.

Aber es gibt andere, womöglich wichtigere Fragen. Zum Beispiel sagt Gott im 2. Buch Moses 20, 1-2 nicht: »Ich bin Gott«, sondern »Ich bin der Gott, der euch aus der Sklaverei befreit hat«. Gott relativiert sich, indem er sich selbst beschreibt, als einen Gott, der in die Geschichte eingegriffen hat. Und Gott sagt auch nicht: »Ich bin der einzige Gott«, sondern: »Ich bin der einzige, der für euch ist. Ihr sollt keinen anderen Göttern dienen!« Heißt das, es gibt mehr als einen Gott? Das würde jedoch gegen alle Prinzipien des Monotheismus verstoßen.

Im Wochenabschnitt Beschalach für den vergangenen Schabbat haben die Israeliten gesungen: »Mi Kamocha Be’Elim, Adonai?« – »Wer ist wie Du unter den Göttern, o Herr« (2. Buch Moses 15, 11). Natürlich ist das eine rhetorische Frage, aber auch eine theologische. Die Israeliten haben etliche Jahrhunderte in einem Land gelebt, wo mehreren Göttern gedient wurde. Die zehn Plagen sind ein Krieg gegen die anderen Götter: die Sonne, den Fluss, die Fruchtbarkeitsgötter, die heiligen Tiere und, und, und.

WAHN

Es bleibt eine verführerische und gefährliche Sache, andere Götter aufzustellen. Doch ist es bis in die moderne Zeit passiert. In den 40er-Jahren brachte das »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« in Eisenach eine überarbeitete Ausgabe des »Neuen Testaments« heraus, ein »Volkstestament«. Es hieß Die Botschaft Gottes. Die Lektoren hatten all jene Passagen und Fakten aus den überlieferten Texten getilgt, die ihnen als »jüdisch« galten. Es ging so weit, dass nach dieser Lesart selbst Jesus kein Jude mehr war. Die Bekennende Kirche kämpfte zwar gegen diesen Wahn und sah darin einen Verstoß gegen das erste Gebot. Doch die Nazis brachten ihre eigenen zwölf Gebote heraus, die die »jüdischen« Zehn Gebote ersetzen sollten.

Es ist wissenschaftlich und theologisch interessant zu sehen, wie intelligente und gebildete Menschen versuchten, die Zehn Gebote umzuschreiben und welche Wörter sie benutzen, um jeden Anklang an das jüdische Original zu vermeiden. Trotz großen Widerwillens soll dieser bizarre Text, aus rein wissenschaftlichen Gründen, hier zitiert werden:

»1. Gibt Gott die Ehre, und vertraue ihm von ganzem Herzen!
2. Suche die Stille vor Gott!
3. Meide alle Heuchelei!
4. Heilig sei dir Leib und Leben!
5. Heilig sei dir Gut und Ehre!
6. Heilig sei die Wahrheit und die Treue!
7. Ehre Vater und Mutter, deinen Kindern sei Helfer und Vorbild!
8. Halte das Blut rein und die Ehe heilig!
9. Wahre und mehre das Erbe der Ahnen!
10. Sei immer bereit zu helfen und zu vergeben!
11. Ehre Führer und Meister!
12. Diene freudig dem Volk mit Arbeit und Opfer!
So will es Gott von uns.«

Eine Chuzpe natürlich – obwohl man gegen die meisten Gebote nichts einwenden kann. Doch Nr. 8 redet plötzlich von Blut, Nr. 11 und 12 stellen Führer und Volk über alle anderen Werte, und ein Verbot des Mordens fehlt gänzlich – vielleicht um Heuchelei (Nr. 3) zu vermeiden?


Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung der Jüdischen Allgemeinen, dort erschienen am 4.2.2010.


24.02.2017 Artikelarchiv >>
Rabbiner & RabbinerinnenStrömungenPositionenBet DinPublikationenLinksImpressum
Bookmark für: Facebook
Home
logo der allgemeinen rabbinerkonferenz

© Allgemeine Rabbinerkonferenz
Meldungen

PREISE

Rabbiner Gábor Lengyel erhielt den Deutschen Dialogpreis

Rabbinerin Elisa Klapheck erhielt den Marie-Juchacz Frauenpreis

Noch Ende November 2023 wurde Rabbiner Dr. Gábor Lengyel vom Bund Deutscher Dialoginstitutionen mit dem Deutschen Dialogpreis...

Lesen Sie mehr...

Wie kommt ein Jude in den Himmel?


Paraschat Haschawua

Schabbat Sachor

Auslegung von Rabbinerin Ederberg

Verstörend

‚Sachor – Erinnere dich’, so lautet der Name des heutigen Schabbat, dem Schabbat vor Purim.

Nächste Woche an Purim lesen wir in der ‚Megillá’, dem Buch Esther, wie die Juden Persiens in große Gefahr kommen, aber von der Königin Esther und ihrem Onkel Mordechai gerettet werden. Von Gott aber ist in der ganzen Geschichte keine...

22.03.2024   Lesen Sie mehr...