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SUKKOT

Aus Gottes Hand

Brot wächst nicht im Supermarkt: Sukkot erinnert an die Herkunft unserer Nahrung

Auslegung von Rabbiner Konstantin Pal

Auf den ersten Blick scheint die Toralesung für Sukkot (Lev. 29,12-34) eine einfache, klare Anweisung über die Tier- und Speiseopfer zu sein, die vom zweiten bis zum siebten Tag des Festes im Tempel dargebracht werden müssen. Jeden Tag werden dem Ewigen zwei Widder, 14 Schafe und sieben bis 13 Rinder geopfert.

Was zunächst als Aufforderung an die Israeliten erscheint, muss im gesamten Kontext des Laubhüttenfestes betrachtet werden. Praktisch gesehen ist Sukkot ein Fest, das uns an die Wanderung durch die Wüste und die damit verbundenen Entbehrungen und die Einfachheit des Lebens erinnern soll: Wir ziehen aus unserem Zuhause aus in eine einfache Hütte ohne festes Dach, in der wir uns an das Leben unserer Vorfahren erinnern sollen. Es soll uns vor Augen führen, wie wir als Volk unter einfachen Umständen lebten.

Wallfahrt

Die Erinnerung an den Marsch durch die Wüste, als befreite Sklaven Ägyptens, vermittelt den Anschein, dass das Laubhüttenfest ein exklusives Fest der Stämme Israels sei. Der Prophet Secharja (14, 1–21) versteht es aber als Aufruf an alle Völker, sich auf die jährliche Wallfahrt nach Jerusalem zu begeben und dort das Fest gemeinsam zu feiern. Im Talmudtraktat Sukka führen die Gelehrten eine Diskussion über die Anzahl der Rinder, die als Opfer dargebracht werden müssen. Sie fragen sich, woher die Zahl 70 stammt. Überraschend schnell geben sie selbst die Antwort: Diese Zahl entspreche der Anzahl der Völker, die es in der Welt gibt. Somit hat Sukkot bei den Gelehrten einen eindeutigen Stellenwert: Es ist das Fest, das nicht nur für das Volk Israel gilt, sondern für die 70 Nationen, die von Noach abstammen.

70 Rinder, 14 Widder, 98 Lämmer und die dazugehörigen Speiseopfer – eine immense Zahl von Tieren, die an keinem anderen Festtag geopfert wurden, zeugen von der außerordentlichen Bedeutung von Sukkot. Es war nicht nur die Erinnerung an die Zeit in der Wüste, sondern auch der Dank für die gute Ernte und ein Zeichen der Hoffnung, dass die Regenzeit rechtzeitig einsetzen und somit die Landwirtschaft auch im nächsten Jahr funktionieren würde. Dadurch bekommt das Laubhüttenfest seine universelle Bedeutung. Es ist nicht nur das Fest des jüdischen Volkes, sondern ein Fest, bei dem alle Nationen dem Ewigen, der für sie sorgt, danken.

Landwirtschaft

Somit ist auch die Aussage des Propheten Secharja, dass es ein Fest für alle Völker sei, in Erfüllung gegangen. Denn wir sehen bis heute, dass in verschiedenen Kulturen und Religionen ein Abschlussfest für das landwirtschaftliche Jahr gefeiert wird. Die Tradition kommt aus einer Zeit, in der die Menschen, die in der Landwirtschaft gearbeitet haben, völlig von der Natur abhängig waren. Es war wichtig für die Ernte, dass zu bestimmten Zeiten genug Regen fiel, die Sonne ausreichend schien und dass Schädlinge ausblieben. Diese Faktoren spielten eine wichtige Rolle für das Überleben des Einzelnen und der Gesellschaft.

Doch welche Rolle spielt der Dank für ein erfolgreiches landwirtschaftliches Jahr heute? Es werden im Tempel keine Tiere mehr geopfert, und das Erntedankfest hat in den meisten Fällen nur noch folkloristische Bedeutung. Es wird, insbesondere in den USA, als ein Fest gefeiert, bei dem es vor allem um Konsum geht.

Die westliche Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, dass landwirtschaftliche Erzeugnisse immer in großen Mengen vorhanden sind. Nur wenige machen sich darüber Gedanken, wie Tomaten oder Äpfel wachsen. Wir sind es gewohnt, in den Supermarkt zu gehen und selbst im kältesten Winter Erdbeeren vom anderen Ende der Welt zu bekommen. Wir haben vergessen, wie stark der Mensch mit der Natur verbunden ist und welche Rolle die Natur für uns spielt. Wir finden alles in Hülle und Fülle vor und denken viel zu selten darüber nach, woher unser Essen kommt.

Unsere Vorfahren waren von den Naturgewalten abhängig, sie hatten keine Gewächshäuser und konnten die Erträge ihrer Ernte nicht einfach mit Kunstdünger verzehnfachen. Gerade deshalb ist es für uns heute – in einer konsumorientierten Wegwerfgesellschaft – umso wichtiger, unsere Feste und Traditionen zu bewahren. Wir müssen uns wieder daran erinnern, dass das, was wir essen und trinken, nicht ein Produkt des Supermarktes oder des Großhändlers ist, sondern von der Natur und schlussendlich von Gott gegeben ist. Gurken wachsen nicht an der Gemüsetheke, und das Brot wird nicht im Beutel abgepackt und geschnitten auf dem Feld geerntet. Es sind Wunder der Natur, für die wir Dankbarkeit zeigen müssen und die uns tagtäglich daran erinnern sollen, dass wir sie dankbar aus Gottes Hand erhalten.

Sukka

Das Laubhüttenfest bietet eine gute Gelegenheit, sich auf die Natur und ihre Bedeutung in unserem Leben zu besinnen. Wir müssen den Tempeldienst mit Tieropfern nicht reaktivieren. Doch wir können, wenn wir in der Sukka sitzen, uns all dessen bewusst werden, was Gott für uns jeden Tag erschafft, und uns dafür dankbar zeigen. Und das nicht nur mit Dankgebeten, sondern, indem wir unser Konsumverhalten ändern und die Früchte der Natur nicht als etwas Selbstverständliches sehen. Wenn wir ethisch mit den Gaben der Natur umgehen, zeigen wir dem Ewigen unseren Dank für das, was wir von Ihm erhalten.

Der Prophet Secharja mahnt: »Und es geschieht, wer nicht hinaufgeht von den Geschlechtern der Erde nach Jerusalem, sich zu bücken vor dem König, dem Ewigen der Heerscharen, auf die fällt nicht der Regen.« Diese Worte kann man so verstehen, dass derjenige, der sich nicht um Natur und Umwelt kümmert, das ernten wird, was er sät.

Wiederverwendung mit freundlicher Genehmigung der Jüdischen Allgemeinen. Der Artikel ist dort am 18.9.2013 erschienen.

06.10.2023 Artikelarchiv >>
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