hauptmotiv

JITRO

»Meine Braut, ihr Vater und ich«

Erst von Jitro lernt Mosche, wie man ein Volk organisiert

Der Wochenabschnitt Jitro berichtet uns vom Akt der Offenbarung der Zehn Gebote auf dem Berg Sinai. Interessant dabei ist, dass die Parascha nach einem Götzendiener und nicht nach Mosche benannt wurde. Dieser Fremde, Jitro, der später Mosches Schwiegervater wird, war ein hoher Priester von Midian und ist nach meiner Auffassung der erste in der Tora vorkommende Theologe.

Jitros Verdienst besteht darin, dass er Mosche beraten hat, wie man ein Volk organisiert. »Suche aber auch aus dem Volke tüchtige, g’ttesfürchtige, wahrhaftige und uneigennützige Männer aus und setze diese über sie als Vorsteher, je einen über tausend, über hundert, über fünfzig und über zehn. Sie mögen das Volk zu jeder Zeit richten; jede wichtige Rechtssache sollen sie vor dich bringen, und in jeder geringfügigen Rechtssache mögen sie selbst richten; so wirst du es dir erleichtern, und sie werden dir tragen helfen« (2. Buch Moses 18, 21-22).

Die Vermutung, dass Jitro zum Judentum konvertiert ist, leitet sich aus seiner Erklärung ab, in der er G’tt als den Allmächtigen betrachtet. »Nun erkenne ich, dass der Ewige größer ist als alle Götter, denn mit derselben Sache, mit der sie gefrevelt, kam er über sie« (18,11).

Unklar ist, wann Jitro mit Mosche zusammentraf. Es kann in der Zeit zwischen dem Auszug aus Ägypten und der Offenbarung auf dem Berg Sinai gewesen sein. Oder das Treffen fand einige Tage nach der Übergabe der Tora statt. Der Bericht über die Begegnung zwischen Moses und Jitro beginnt mit den Worten: »Wo ist er denn? Warum habt ihr den Mann stehen lassen? Ruft ihn herein, dass er etwas genieße« (2,20). Dies sagte Jitro zu seinen Töchtern, als die Mädchen ihm von Mosche berichteten, dem Ägypter, der sie am Brunnen vor den bösen Hirten verteidigt hatte.

Inspiration

Eine der wichtigsten Fragen des vorliegenden Abschnitts aber ist: Warum stammt der Gedanke, wie G’ttes Volk zu organisieren sei, nicht von Mosche selbst, sondern von einem Fremden? Hier lässt sich nur vermuten, dass Mosche glaubte, dieser sei von G’tt gesandt und mit einer g’ttlichen Inspiration ausgestattet.

Als Jitro Mosche besuchte, konnte er nicht wissen, ob und wie das Volk Israel organisiert war. Jitro konnte nicht verstehen, warum die gesamte Last auf nur einem Menschen, seinem Schwiegersohn Mosche, ruhen sollte. Daher gab er ihm den Rat, nicht nur allein von morgens bis abends ohne bestimmtes Ziel und festgelegten Plan zu regieren, sondern auch Aufgaben zu delegieren. »Da sprach Mosches Schwiegervater zu ihm: ›Es ist nicht gut, wie du es machst. Du wirst dich ganz aufreiben, sowohl du als auch dieses Volk, das bei dir ist; denn die Arbeit ist zu schwer für dich, du kannst sie nicht allein verrichten‹« (2. Buch Moses 18, 17-18).

Mosche lernte also von einem Nichtjuden, dass es trotz allgegenwärtiger g’ttlicher Führung auch erlaubt sein muss, den Verstand des Menschen einzubeziehen und in der Gemeinschaft nach passenden und fähigen Mitmenschen zu suchen, die beim Aufbau einer funktionierenden Gesellschaft helfen.

Namen

Wer aber war Jitro? Darüber gibt die Tora keine Auskunft. Doch die rabbinische Literatur kann uns helfen, seine Persönlichkeit näher kennenzulernen. Jitro war ein Priester und ein Minister (Mechilta). G’tt hat ihn in die Nähe des Volkes Israel geschickt, aber nicht auserwählt (Bamidbar raba). Jitro hatte sieben Namen: Jeter, Jitro, Chowaw, Reu-El, Chewer, Petu-El und Kenni. Diese Namen enthalten Erklärungen, was sie bedeuten, wie zum Beispiel Jeter. Er hinterließ einen Abschnitt in der Tora; nachdem er gute Taten vollbracht hatte, ergänzte man einen Buchstaben und er wurde zu Jitro (Mechilta).

Der Name Reu-El steht für »Freund G’ttes« (Schemot raba). Die Bezeichnung Kenni rührt daher, dass Jitro sich von Kain getrennt hat (Sohar) oder weil er Himmel, Erde und die Tora gekauft hat (Sifri-Bamidbar). Allerdings gibt es kaum eine Art von Götzendienst in dieser Welt, die Jitro nicht begangen hätte, bevor er seinem späteren Schwiegersohn Mosche begegnete (Mechilta). Sogar Kälber für den Götzendienst hat er gefüttert (Sota).

Wenn das Volk Israel G’ttes Willen erfüllt, bereist der Ewige die ganze Welt. Und wenn Er unter den Völkern einen Zaddik trifft, bringt er ihn mit Israel zusammen, wie es im Falle Jitro und Rachaw geschah (Brachot).

Teschuwa

Das Zusammentreffen mit Mosche brachte eine gravierende Wende in Jitros Leben. Er erkannte plötzlich die Sinnlosigkeit des von ihm bisher ausgeübten Götzendienstes und beschloss umzukehren, Teschuwa zu machen. Daher bat er seine Heimatstadt, sich einen neuen Priester zu suchen. Er überließ den Bewohnern all die zum Götzendienst notwendigen Gegenstände und schickte seine sieben Töchter auf die Weide, um die Herden zu hüten. Und genau dort trafen sie auf Mosche (Schemot raba).

Unser Abschnitt beginnt mit den Worten: »Und Jitro hörte«. Was hat er gehört? Drei Voraussagen: den Krieg der Amalekiter, die Übergabe der Tora und die Spaltung des Roten Meeres (Sewachim). Als Jitro sah, dass G’tt den Amalek aus dieser und der nächsten Welt verbannt hat, machte er Teschuwa. Nachdem er erkannt hatte, dass es keinen Ort gibt, wo er seiner Überzeugung nach leben konnte, ging er zu Israels G’tt (Schemot raba).

Jitro schickte Mosche einen Brief etwa folgenden Inhalts: »Ich bin dein Schwiegervater, der zu dir kommt, tue etwas für mich und wenn nicht für mich, dann für deine Frau Zippora, und wenn nicht, für deine Söhne«. Nachdem G’tt sah, dass sich Jitro mit der Absicht zu konvertieren dem Himmel nähern wollte, sprach er zu Mosche: »Geh, empfange ihn und bring ihn zu uns!« Als Mosche ging, begleiteten ihn Aharon, Nadaw, Avihu und 70 Leute aus dem älteren Israel. Vermutet wird, dass sogar die Heilige Lade mitgenommen wurde (Schemot raba).

»Wajichad – Jitro«, das heißt, er brachte ein scharfes Schwert auf seine Vorhaut und führte an sich selbst die Beschneidung durch (Sanhedrin).

Jitro wurde zum Vorbild für sein Volk, nachdem er begonnen hatte, G’tt zu erkennen und ihm zu dienen. Dank seiner Erkenntnis haben alle verstanden, dass Götzendienst sinnlos ist. Und so heiligten sie G’ttes Namen, indem sie Jitros Weg folgten (Sohar).


Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung der Jüdischen Allgemeinen. Der Artikel erschien dort am 20.01.2011.

08.02.2024 Artikelarchiv >>
Rabbiner & RabbinerinnenStrömungenPositionenBet DinPublikationenLinksImpressum
Bookmark für: Facebook
Home
logo der allgemeinen rabbinerkonferenz

© Allgemeine Rabbinerkonferenz
Meldungen

Pessach 5784 / 2024

Trotz der Ungewissheit

von Rabbinerin Elisa Klapheck

Was ist das Ziel? Der Auszug aus Ägypten bedeutete nicht nur den Weg heraus aus der Sklaverei. Genauso wichtig, ja sogar noch wichtiger war das Ziel – dass es überhaupt ein Ziel gab. Daran scheitern die...

Lesen Sie mehr...

Wie kommt ein Jude in den Himmel?


Paraschat Haschawua

MEZORA

Auslegung von Rabbiner Almekias-Siegl

Was die Haut offenbart

Zara’at steht für die Störung im sozialen, zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Miteinander

Der Abschnitt Mezora widmet sich Menschen, die von Aussatz befallen sind. Die Flecken, die den Körper eines Aussätzigen verunstalten, kommen nicht von ungefähr – so die Erklärung der Tora. Sie zeigt, dass der Kranke schlecht...

19.04.2024   Lesen Sie mehr...