hauptmotiv

KORACH

Harte Arbeit

Das Volk Israel ist heilig. Doch dies erfordert ständige Bemühungen jedes Einzelnen

Auslegung von Rabbiner Almekias-Siegl

Das Volk Israel murrt. Seit dem Auszug aus Ägypten klagt es über die schwierigen Bedingungen in der Wüste. Es will zurück zu den Fleischtöpfen Ägyptens – lieber in Knechtschaft leben als in Freiheit hungern.

Auch der Führungsstil Mosches und seines Bruders Aharon geben immer wieder Anlass zur Klage, berichtet die Bibel. Der Rebell Korach probt mit seiner kleinen Gruppe um Datan und Awiram gar den Aufstand gegen die beiden Brüder. Doch damit widersetzen sie sich dem Willen G’ttes. Korach findet sein Ende durch einen plötzlichen Tod, nachdem die Streitigkeiten zwischen ihm und Mosche in einen zähen und erbitterten Kampf um die Führung des israelitischen Volkes mündeten.

Mit wachsamen Augen stand G’tt den damaligen Führern bei. Vergleichen wir den Umgang mit Führungspersönlichkeiten unserer Tage, so lässt sich festhalten, dass die Kraft der Führerschaft heute in den Händen der Wähler liegt. Doch damals war G’ttes Offenbarung immer präsent. Der Ewige war der Träger aller Entscheidungen.

Daher bestand die Auseinandersetzung nicht in der Frage, wer das Volk führen sollte, sondern, auf wessen Seite G’tt steht. Dies war nicht nur ein Machtkampf, sondern eine heiße Debatte über G’tt, seine Heiligkeit sowie das Volk und dessen Seele.

Argumente

Der verbitterte Korach und seine Anhänger traten vor Mosche und argumentierten: »Ihr maßt euch zu viel an! Alle in der Gemeinde sind heilig, und unter ihnen ist der Ewige. Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Ewigen?« (4. Buch Moses 16, 3). Diese Behauptung hat den Anschein von Demokratie. Sie geht davon aus, dass alle Israeliten vor dem Ewigen den gleichen Status haben: Sie sind Angehörige des heiligen Volkes. Korach murrt: Warum seid ihr, die Söhne Amrams, an der Führung beteiligt? Und warum werde ich, Korach, der Sohn von Jitzhar und Kehat ben Levi, nicht mit einbezogen?

Auf den ersten Blick könnte man annehmen, bei diesen Reden gehe es darum, ob bei der Wahl eines Führers alles korrekt ablief. Wir lesen: »Als Mosche dies hörte, fiel er auf sein Angesicht« (16,4). Er schwieg. Die Antwort kam direkt vom Himmel: Die Erde öffnete sich und verschlang Korach und seine Anhänger. Damit beendete G’tt den Machtkampf.

Die Mischna erklärt dazu in den Sprüchen der Väter (5,20): »Jeder Meinungsstreit, bei dem es um himmlische Wahrheit geht, hat Bestand. Geht es aber nicht darum, so hat der Meinungsstreit keinen Bestand.«

Korachs Behauptung hört sich zwar theologisch fundiert an, ist aber in Wahrheit keine Alternative zu Mosches Worten. Denn Korach ging von der Annahme aus, dass es eine Heiligung gibt, die quasi automatisch zum Volk kommt: »kulam kedoschim – alle sind heilig«. Daher kam er zu der Auffassung, Mosche hätte nicht korrekt gehandelt.

Automatik

Bekannt ist, dass tatsächlich eine »automatische« Heiligung die Verantwortung für das reale Leben eines gläubigen Juden übernimmt. Dies bedeutet, dass alle von Geburt an heilig sind. Damit wären aber auch die schlechten Mitglieder der Gemeinschaft heilig, ohne Rechenschaft über ihr Tun abzulegen oder sich Kritik gefallen lassen zu müssen. Nach Meinung von Korach hieße dies: Da G’tt uns aus allen Völkern als das Seinige auserwählt hat, erhebt er uns auch über alle anderen Völker. Laut Korachs Verständnis ist diese Heiligung automatisch auf das gesamte Volk Israel zu beziehen, ohne Ausnahme. Nun wird verständlich, warum Mosche über den Aufstand seiner Gegner schockiert war. Deren Anspruch war in keiner Weise mit seinen Glaubensgrundsätzen vereinbar.

Im 3. Buch Moses 19,2 lesen wir: »Sprich zur ganzen Gemeinde der Kinder Israels und sage ihnen: Heilig sollt ihr sein, denn heilig bin ich, der Ewige, euer G’tt.« Nach Mosches Ansicht muss diese Heiligung durch Tikkun, durch ständige Bemühungen jedes Einzelnen und der gesamten Welt, erreicht werden. Dies soll durch Verhaltensweisen wie die Liebe gegenüber dem Nächsten und dem Fremdling oder aber durch harte Arbeit verwirklicht werden. Darüber hinaus sollten wir, die wir heute leben, ständig bereit sein zu lernen und danach streben, uns selbstkritisch zu sehen. Nur so werden wir G’ttes Namen und die uns durch die Geburt mitgegebene Heiligung nicht entweihen.

Zeichen

Wir müssen uns immer vor Augen führen: Was G’tt erlaubt ist, ist uns verboten. G’ttes Überlegungen und Entscheidungen unterliegen keinem Zweifel oder gar der Kritik eines Menschen, selbst dann nicht, wenn dieser eine Führungsposition inne hat. Wurde jemand mit Führungsaufgaben betraut, so muss er diese mit Umsicht und Korrektheit ausüben. Insbesondere aber muss er vom Himmel ausgesandte Zeichen, durch die uns G’tt mitunter seine Missbilligung für unser Handeln ausdrückt, beachten und gegebenenfalls seine Entscheidungen entsprechend korrigieren.

Die Erfahrungen der Geschichte lehren uns: Jeder Versuch der Menschen, eine von G’tt eingesetzte Führung zu verändern, endet in einer spirituellen Katastrophe. Und eine Gesellschaft, die Kritik verbietet und deren Regierungsgewalt durch eine autoritäre Führung oder Diktatur ausgeübt wird, endet zwangsläufig in Anarchie und Zerstörung. Aktuelle Beispiele gibt es dafür genug.

Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung der Jüdischen Allgemeinen, dort erschienen am 23.06.2011.



15.07.2016 Artikelarchiv >>
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