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Stimmen zum Konversions-Urteil

Am 1. März traf der Oberste Gerichtshof in Israel eine wegweisende Entscheidung zur Gültigkeit von Konversionen verschiedener jüdischer Strömungen.

Jüdische Allgemeine, 11.03.2021

Was Rabbinerinnen und Rabbiner in der Diaspora von der Entscheidung des Obersten Gerichts in Israel halten

Rabbiner Andreas Nachama, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), der Organisation nichtorthodoxer Rabbiner in Deutschland, Vorsitzender des Beit Din der ARK und Rabbiner der Synagogengemeinde »Sukkat Schalom« in Berlin:

»Für die Reformbewegung weltweit ist das ein sehr großer Schritt. Für unsere Arbeit hier in Deutschland hat sich durch das Urteil nicht viel verändert.

Das Innenministerium in Israel hat die Giurim-Fälle der Allgemeinen Rabbinerkonferenz auch bisher anerkannt. Wenn man die Fälle von Statusbestimmungen und patrilinearen Juden mitzählt, hat das Beit Din der ARK jährlich etwa zwischen 80 und 100 Giurim.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Zahl der Übertritte beim Beit Din der ARK wegen des Urteils steigen wird. Wer ein orthodoxes Leben führen will, für den ist die ORD der Ansprechpartner, und wer das nicht tun will, der kann das auch auf anderen Wegen erreichen.

Es gibt verschiedene jüdische Lebensentwürfe, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Wer als Jude nicht orthodox lebt, ist deswegen nicht weniger jüdisch. Das sind übrigens 90 Prozent der jüdischen Weltbevölkerung.

Wir sind Rabbiner und keine Propheten. Wie sich das in Zukunft entwickelt, müssen wir abwarten. Aber ich bin sehr gespannt, welche Auswirkungen das Urteil in Israel haben wird.«

 

Rabbiner Jonah Sievers, Rabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und Vorstandsmitglied der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK):

»Endlich! Das wegweisende Urteil des Obersten Verfassungsgerichts Israels vom 1. März war überfällig und aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichts zwingend.

Für uns in der Diaspora hat dieses Urteil vor allem eine symbolische Bedeutung, denn schon seit einem früheren Urteil des Gerichts sind liberale und konservative Übertritte anerkannt.

Die symbolische Bedeutung ergibt sich aus der Tatsache, dass die allermeisten Juden, seien sie liberal, orthodox oder säkular, eine tiefe Verbindung zu Israel haben.

Das Gericht hat bereits im Urteil von 2015 anerkannt, dass das jüdische Volk eines ist, obgleich es sich aus verschiedenen Strömungen zusammensetzt.

Übrigens: Die Ergebnisse der Neeman-Kommission, die versucht hat, einen Weg aufzuzeigen, wie man Konversionen in Israel einheitlich regeln könne, sind nicht an den liberalen und konservativen Strömungen gescheitert. Sie sind leider am charedisch dominierten Oberrabbinat gescheitert.

So war dieses Urteil überfällig. Es nimmt die Realität zur Kenntnis und schafft Gerechtigkeit. Und es fördert die Einheit, obgleich nicht die Einheitlichkeit.«

 

Rabbinerin Gesa Ederberg, Rabbinerin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und rabbinische Beraterin von Masorti e.V.:

»Das Urteil ist vor allem eine Stärkung für Paare, die gemeinsam in Israel leben wollen, aber auch für das gesamte nichtorthodoxe Judentum. Es ist ein erster Schritt, dass der Staat Israel sich vom orthodoxen Oberrabbinat unabhängiger macht. Es geht nicht darum, die Orthodoxie zu schwächen, sondern das Monopol des Oberrabbinats. Ich bin absolut für Vielfalt. Aber es war an der Zeit, einen Zustand zu beenden, in dem eine Strömung in Israel per Gesetz bevorzugt wurde.

Ich habe immer wieder junge »gemischt-religiöse« Paare, etwa ein Israeli und eine junge Deutsche, die gemeinsam nach Israel gehen wollen, aber den Umzug dann um ein Jahr aufschieben, weil die Frau den Giur noch hier in Deutschland machen will. Für diese Paare freut es mich sehr, dass sie ihre Pläne, in Israel eine jüdische Familie zu gründen, nicht wegen des Giurs aufschieben müssen.

Ich habe Leuten, die hier übertreten wollen, immer sehr klar gesagt, welche Übertritte in Israel anerkannt werden und welche nicht. Der liberale oder Masorti-Übertritt im Ausland wurde vom israelischen Innenministerium – nicht vom Oberrabbinat – bei Neueinwanderern schon bisher anerkannt. Es gibt auch Menschen, die sich dann lieber für einen orthodoxen Übertritt entscheiden, aber für viele ist die Orthodoxie keine Option. Auch weil sie ideologisch nicht dahinterstehen und weil sie als Frauen im Gottesdienst gleichberechtigt sein wollen.«



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