hauptmotiv

Was wir alle brauchen, das ist Zuspruch

von Rabbiner Andreas Nachama, Vorsitzender der ARK

„Was macht eigentlich mein Rabbiner?“, fragte die Jüdische Allgemeine Anfang November mit Blick auf all die Einschränkungen im Zeichen des Corona-Virus. Die weitaus häufigere Frage, die ich seit Monaten höre, lautet aber: „Ist die Synagoge offen?“, und ich kann darauf ebenso wie die meisten meiner Kollegen und Kolleginnen in der Allgemeinen Rabbinerkonferenz mit einem dankbaren Ja antworten. In Berlin fanden sogar zu den Hohen Feiertagen in sieben Gemeindesynagogen Gottesdienste unter Berücksichtigung der Hygiene- und Abstandsregeln statt. Dass dies glückte, ist einer ausgeklügelten Vorbereitung in Zusammenarbeit mit der Kultusabteilung, den Gabbaim und etlichen engagierten Helfern und Helferinnen zu verdanken. 

Andernorts funktionierte dies auch, und es ist schön, dass mit Livestreaming und Zoom Schabbat für Schabbat Menschen einbezogen werden können, die nicht mobil sind oder keine Synagoge vor Ort haben. Wir sollten an dieser Inklusion vielleicht auf Dauer festhalten. Zum Beruf des Rabbiners und der Rabbinerin gehört es nicht nur, zu unterrichten, in halachischen Fragen zu entscheiden, seelsorglich tätig zu sein und zu predigen, Gottesdienste zu leiten und Lebenshilfe zu geben, bei den sogenannten Life Cycle-Ereignissen zu amtieren, Administratives zu erledigen und sich in Gremienarbeit und interreligiösem Dialog zu engagieren. 

Wir müssen nun zudem noch technisch versiert sein und dafür Sorge tragen, dass wir auch online Gemeinschaft stiften. Das beschäftigt einen rund um die Uhr, zumal wir uns ja nach wie vor um Menschen in Krisensituationen, um Krankenbesuche und um Bestattungen kümmern – und eine Lewaje, die unter Corona-Auflagen im kleinsten Kreis und ohne Minjan stattfinden muss, geht allen zu Herzen. Dabei ist zu bedenken, dass einige meiner Kollegen und Kolleginnen so wie ich selbst zu Risikogruppen zählen, und dass nur wenige von uns hauptberuflich im Rabbinat tätig sind, sondern oft in Teilzeit, als Honorarkräfte oder ehrenamtlich. Das gilt auch für Kantoren und Kantorinnen, die uns eine große Stütze sind, von ihrer Gemeindearbeit aber nur in Ausnahmefällen leben können. Und einige von uns waren selbst in Quarantäne oder gar mit dem Virus infiziert. 

Ja, in diesen Corona-Zeiten kann einem alles zu viel werden. Den zwei großen Berliner Kirchen mit ihren 1,3 Millionen Mitgliedern gelingt es, ein Corona-Sorgentelefon zu unterhalten. Was die Diakonie für die Kirchen ist, bietet unsere Zentrale Wohlfahrtstelle ebenfalls an, und dies für weniger als 100.000 Gemeindemitglieder deutschlandweit und in mehreren Sprachen. Wir haben in den Gemeinden telefonische Sprechstunden der Sozialabteilungen, psychologische Beratung und Bikkur Cholim-Angebote und können froh darüber sein. Judentum ist Gemeinschaft, also Miteinander. 

Wem es nicht genügt, am Schabbat vom heimischen Sofa aus unseren Gottesdiensten zu folgen, ist aufgerufen, mitzutun. Der Mitzvah Day am 15. November war ein guter Anlass dafür, Telefonketten unter Gemeindemitgliedern zu initiieren, natürlich im Einklang mit dem Datenschutz. Das geht auch vom Home Office aus! Und ich freue mich, wenn sich der eine oder die andere fragt: „Wie geht es eigentlich meinem Rabbiner?“ 

Was wir alle dieser Tage brauchen, das ist Zuspruch. Wir können dieses Mal zu Chanukka nicht zusammenrücken, uns nicht in großer Runde treffen. Aber ein Zeichen können wir auch setzen, wenn wir unsere Leuchter in die Fenster stellen, so wie es uns unsere Weisen aufgetragen haben. Banu choschech legaresch; Wir sind gekommen, die Finsternis zu vertreiben.



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