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Baruch Dajan ha-Emet

Morenu ha-Raw Ernst Stein in seine Welt gegangen

von Rabbiner Andreas Nachama

Am 10. Mai 1930 in Mannheim geboren, ging unser Lehrer und Rabbiner Dr h.c. Ernst Stein am 21. März im Jüdischen Krankenhaus in seine Welt.

Von 1980 bis 1996 war es R'Stein-Zeit in der Synagoge Pestalozzistraße – Morenu Ha-Raw Elieser ben Pinkas ha-levi – war ein unbestechlicher Mahner, einer der nicht ein gefälliger Chorist in der Erinnerungskultur war, sondern einer, der die Zerstörungen und Schändungen jüdischen Lebens in sich verkörperte. R'Stein war ein Mahner, der nicht nur viel wusste vom Leid, sondern auch viel wusste von der jüdischen Lebenswelt in Deutschland und ein jüdischer Gelehrter von Rang.

Am 29. Juni 2005 sagte er anläßlich des 150. Jahrestages der Weihe "seiner" Mannheimer Synagoge: " dieses „unser prächtiges, heiliges Haus“  ist nicht mehr; es wurde zusammen mit allen anderen Jüdischen Gotteshäusern dieses Landes Opfer der Feuersbrunst des verzehrenden Hasses. Für mich persönlich ist dieser Anlass mit Emotionen beladen und belastet; denn ich gehöre zu den nur noch Wenigen, die in dieser Synagoge beteten, als Kind beteten.

Sie war für mich Inbegriff einer Gemeinschaftsgeborgenheit. Sie strahlte Wärme, das Gefühl des Zusammenseins und Dazugehörens aus. Sie war der Ort, zusammen mit dem Zuhause, auf dem die kindliche Religiosität basierte und wuchs. Daher wird manches Persönliche, das nur Augenzeugen, Miterlebende und Betroffene sahen und verspürten, hier einfließen. Für mich ist dies kein Anlass zum Feiern, der Freude, sondern des Gedenkens und Nachdenkens, des Nachdenkens, wie es war und wie es hätte sein können."

So sprach er: klar, aufrichtig, aus seinem Herzen, aber aus einem Herzen, das zutiefst verstört war. Erst spät war er, der über Schanghai, wo er Barmizwa wurde, Israel nach Mannheim zurückkehrte, nach Amerika ging, um schließlich als 40-jähriger am Leo Baeck College zu studieren und in Berlin "seine" Gemeinde fand. Esther Slevogt schrieb in der taz anlässlich seiner 80. Geburtstages: "Das Jahr 2009 war sein Jahr, könnte man sagen. Nicht nur, dass die Berliner Jüdische Gemeinde ihren langjährigen liberalen Rabbiner Ernst M. Stein aus Anlass seines 80. Geburtstags zum ersten Mal wirklich gewürdigt hat. Im November verlieh ihm die Humboldt-Universität die Ehrendoktorwürde, womit Stein wahrscheinlich der einzige Ehrendoktor einer Berliner Universität ist, der keinen Schulabschluss hat."

R' Stein betreute wie sein Freund und Vorbeter Estrongo Nachama auch die Ost-Berliner Gemeinde von West-Berlin aus, er war da, wenn es die jüdische Tradition gebietet, bei freudigen wie bei traurigen Anlässen, immer in seiner Synagoge: Einer, der seine jüdische Aufgabe als Mizwa, als heilige und schöne Pflicht ansah.

Aber ein galliger Beobachter der Realität: Seine Predigten waren keine Hymnen für bundesdeutsche Politiker, sondern immer Konsequenz seiner Erfahrungen. In Mannheim schloss er seine Predigt zum 150. Jubiläum der vorsätzlich zerstörten alten Synagoge: "Gedenken wühlt immer auf; alte Wunden schmerzen wieder. Wir sind jedoch eine Gemeinschaft der Hoffnung und der Hoffnungsträger; und wir – zusammen mit allen Menschen guten Willens – arbeiten einer immer besseren Zukunft entgegen.
Die alte prächtige Hauptsynagoge, das Gedenken an sie, soll uns den Weg in diese Zukunft erhellen, leuchtendes Zeichen der Kraft und des Willens der Jüdischen Gemeinde dieser Stadt."

Vor drei Monaten starb seine Frau nach langer schwerer Krankheit. Sie waren tief und innerlich verbunden. Zwar war auch er schon von Krankheit gezeichnet, aber nach ihrem Ableben verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide. Er wird  jetzt an ihrer Seite in England seine letzte Ruhe finden, denn beide wollten nicht in Deutschland, das sie so liebten und gleichzeitig fürchteten, beerdigt sein. Er hinterlässt zwei auf eigenen Füßen stehende erwachsene Kinder. Sein Andenken werde zum Segen!


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