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Zur Liste des israelischen Oberrabbinats

Die Jerusalemer Behörde stellt nicht nur Zeugnisse liberaler, sondern auch orthodoxer Rabbis infrage

von Ayala Goldmann

Rabbiner Itamar Tubul, Leiter der Abteilung für persönliche Statusangelegenheiten des orthodoxen Oberrabbinats in Jerusalem, stand bis vor Kurzem nicht im Licht der Öffentlichkeit. Sein Job: Wer in Israel heiraten will – etwa Neueinwanderer, aber auch Juden aus der Diaspora, die Israelis heiraten oder sich einfach eine Hochzeit im Heiligen Land wünschen –, ist darauf angewiesen, dass Tubuls Abteilung die Bescheinigung eines Rabbiners akzeptiert, dass der oder die Heiratswillige jüdisch ist.

LISTE

Doch Rabbiner Tubul nimmt längst nicht alle Bescheinigungen seiner Kollegen an – und die Zeugnisse nichtorthodoxer Rabbis sowieso nicht. Seit Anfang Juli nun ist Tubul in aller Munde, weil er ein Papier zusammengestellt hat, auf dem 160 liberale, konservative und orthodoxe Rabbiner aus 24 Ländern verzeichnet sind.

Der Generaldirektor der Behörde, Moshe Dagan, schrieb in einem Brief an den Orthodoxen Rabbinischen Rat (ORC) in den USA, es handele sich nicht um eine Schwarze Liste »unautorisierter oder nicht anerkannter Rabbiner«, vielmehr seien die von den Rabbinern ausgestellten Dokumente in der Vergangenheit nicht akzeptiert worden, »aus welchen Gründen auch immer«.

DEUTSCHE RABBINER

Laut der israelischen Zeitung »Haaretz« stehen auch sechs Rabbiner aus Deutschland auf der Liste: der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK) und Rabbiner der Israelitischen Kultusgemeinde Schwaben-Augsburg, Henry G. Brandt, der Berliner Gemeinderabbiner Jonah Sievers und die liberalen Rabbiner Walter Rothschild und Salomon Almekias-Siegl.

Allerdings geht es offenbar nicht nur um die Liberalen: Der orthodoxe Rabbiner Dov-Levy Barsilay und der 2014 verstorbene Rabbiner Isaac Neumann, der für kurze Zeit in Ost-Berlin in der DDR amtiert hatte, sind ebenfalls gelistet. Aus Argentinien wird laut Haaretz Rabbiner Abraham Skorka erwähnt.

KEHILAT JESHURUN

Außerdem zählt die Liste Rabbiner Baruch Goodman auf, Direktor des Chabad-Hauses an der Rutgers-Universität in New Jersey, USA, und die modern-orthodoxen Rabbiner Avi Weiss und Daniel Kraus. Letzterer ist Direktor eines pädagogischen Zentrums der Gemeinde Kehilat Jeshurun in Manhattan. Bei dem Rabbiner dieser orthodoxen Gemeinde, Haskel Lookstein, war die Tochter von US-Präsident Donald Trump, Ivanka, vor ihrer Hochzeit zum Judentum konvertiert.

Abraham Lehrer, Kultusdezernent des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, er teile die Ansicht des israelischen Oberrabbiners David Lau, »dass das Veröffentlichen einer Namensliste überflüssig war«.

ORD

Rabbiner Zsolt Balla, Vorstandsmitglied der Orthodoxen Rabbinerkonferenz (ORD), er-klärte: »Nach meinem Wissen gibt es keine Schwarze Liste. Wie ich es weiß, stehen in diesem Papier die Namen von Rabbinern, deren Bescheinigungen in der Vergangenheit – möglicherweise auch nur ein einziges Mal – vom Oberrabbinat nicht anerkannt wurden. Die Gründe für die Nichtanerkennung können auch wohl technisch sein.«

Weiter sagte Balla: »Der hoch geschätzte und langjährige Rabbiner und Landesrabbiner von Hamburg und Schleswig-Holstein, Dov-Levy Barzilay, ist durch das Papier nicht disqualifiziert. Er bleibt Mitglied der ORD.«

ARK

Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz, Henry G. Brandt, erklärte: »Eine Anerkennung durch das Oberrabbinat in Israel habe ich niemals gesucht, gewünscht oder erwartet.« Nicht nur die Veröffentlichung, sondern auch die Existenz einer solchen Liste sei beschämend: »Oberrabbinate im Allgemeinen sind sowieso Institutionen ohne wirkliche Wurzeln in der jüdischen Tradition, von fremden Herrschern oft aufoktroyiert oder aufgeschwatzt.« Je schneller sie verschwänden, desto heller scheine »die Zukunft unseres Volkes und unseres Glaubens«, so Brandt.

Rabbiner Rothschild sagte, das israelische Oberrabbinat sei seit Langem bekannt für »Arroganz, Inkompetenz, eine brutale und geringschätzige Art, Bewerber wie Bittsteller zu behandeln, und eine kafkaeske Bürokratie«. Er persönlich betrachte es als »Ehre, dass ich auf dieser Liste bin«.

OFFIZIELLE EHESCHLIESSUNG

Wer in Israel, wo es keine Möglichkeit einer zivilen Eheschließung gibt, offiziell heiraten möchte, ist jedenfalls gut beraten, vorher zu prüfen, wessen Judentums-Zertifikate durch das Oberrabbinat anerkannt werden. Im Zweifelsfall sollte man, trotz der Verwirrung durch Tubuls Liste, auf orthodoxe oder ultraorthodoxe Rabbiner setzen – ganz im Sinne des ultraorthodox dominierten Oberrabbinats.

Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung der Jüdischen Allgemeinen, dort erschienen am 20.07.2017.


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