hauptmotiv

Über Abraham, Gene, Biologie und blonde Juden

Interview mit Rabbiner Andreas Nachama

Herr Rabbiner, Sie haben in einem Beitrag für die Jüdische Allgemeine über das israelische Konversionsgesetz geschrieben, dass im Sinne einer modernisierten Halacha auch die Religionszugehörigkeit des Sohnes eines jüdischen Vaters anerkannt werden sollte. Dies sei zum Beispiel »per Gentest« zu belegen. Was haben Sie damit gemeint?
Das bezog sich selbstverständlich allein auf die Möglichkeit eines Vaterschaftsnachweises. Heutzutage passiert das mithilfe der sicheren Methode eines Gentests. Mir ging es keinesfalls um das jetzt heftig diskutierte »jüdische Genom«.

»Alle Juden teilen ein gemeinsames Gen«, hat Thilo Sarrazin in einem Interview mit der »Welt am Sonntag« gesagt. Unsinn?
Ja, das ist in dieser Form Unsinn. Die Herkunft von Abraham als dem Vater aller Gläubigen ist eine intellektuelle, die sich durch die Bibel definiert. Jeder, der ins Judentum aufgenommen wird, ist damit ein Sohn oder eine Tochter Abrahams - im inhaltlichen Sinn, nicht in einem biologischen. Das gilt somit auch für das jüdische Volk insgesamt. Es gibt dunkel- oder hellhäutige, schwarzhaarige und blonde Juden. Daran kann man sehr deutlich erkennen, dass es sich nicht um eine geschlossene biologische oder ethnische Gruppe handelt.

Wie beurteilen Sie als Historiker die Sarrazin-Debatte?
Ich würde dessen Thesen nicht auf die Rassentheorie der Nationalsozialisten beziehen. Jede Form der naturwissenschaftlichen Herkunftsforschung ist nur sehr begrenzt aussagefähig, wenn überhaupt. Die zahlreichen muslimischen Völker sind genauso unterschiedlich wie die europäischen. Und der Islam ist wie das Judentum eine Bekenntnisgemeinschaft, keine erbbiologische.

Gilt das auch für das sogenannte Priester-Gen, in dem einige Wissenschaftler die direkte Erbfolge der Söhne Aarons bis zu den heutigen Kohanim festgestellt haben wollen?
Ich halte das für absoluten Quatsch. Das ist lediglich eine Behauptung, die immer mal wieder durch die Presse geistert.

In Israel soll sogar der amtierende Innenminister Eli Yishai schon einmal vom »jüdischen Gen« gesprochen haben.
Das ist sicherlich nicht mehr als Wunschdenken. Man hat das jüdische Volk im 19. Jahrhundert als »Rasse« erfunden, und manch einer würde das gerne als ethnische Identität grundieren. Aber die kann man nicht einfach so herbeireden. Eine Unwahrheit wird auch dann nicht zur Wahrheit, wenn man sie nur oft genug wiederholt.

Das Interview ist am 3.9.2010 unter dem Titel "»Eine Bekenntnisgemeinschaft« -  
Rabbiner Andreas Nachama über Abraham, Gene, Biologie und blonde Juden" in der Jüdischen Allgemeinen erschienen. Das Gespräch führte Detlef David Kauschke.



Artikelarchiv >>
Rabbiner & RabbinerinnenStrömungenPositionenBet DinPublikationenLinksImpressum
Bookmark für: Facebook
Home
logo der allgemeinen rabbinerkonferenz

© Allgemeine Rabbinerkonferenz
Meldungen

Solidarität mit der Oldenburger Rabbinerin Alina Treiger

Pressemitteilung

Wir, die Mitglieder der Allgemeinen Rabbinerkonferenz Deutschland, sind entsetzt und erschüttert über diesen neuerlichen Anschlag auf eine Synagoge und damit auf jüdisches Leben in Deutschland. Letzten Freitagnachmittag haben noch unbekannte Täter einen...

Lesen Sie mehr...

Wie kommt ein Jude in den Himmel?


Paraschat Haschawua

TASRIA

Auslegung von Rabbiner Almekias-Siegl

Zaun mit Rosen

Es gibt Tage, an denen Mann und Frau ihr Verlangen zügeln müssen

Der Wochenabschnitt Tasria beginnt mit Ausführungen zum Thema Geburt sowie Vorschriften über die Beschneidung. »Wenn eine Frau Kinder bekommt, wenn sie einen Knaben gebiert, so ist sie sieben Tage unrein; sie ist unrein wie in den Tagen, da sie wegen ihres Unwohlseins...

12.04.2024   Lesen Sie mehr...